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Interview mit TASSO [DEUTSCH]

Wir haben uns kurz mit Tasso über Maclaim, die IBUg Meerane und einige seiner persönlichen Ansichten unterhalten, unser Interview mit dem Sachsen nach dem Jump

Tasso, die obligatorische Frage: wie bist Du zu Graffiti, in Deinem Fall zur Kunst gekommen? Du hast sehr spät angefangen oder?

Ich glaube nicht, dass man zu Graffiti kommt. Man nimmt es wahr und entweder es gefällt einem, oder man hasst oder ignoriert es. Das erste mal wahr genommen habe ich Graffiti mitte der 80er, als die Reportage “WildStyle” im ZDF lief, dann in Musikvideos von Blondie, Herbie Hancock usw. und später, als “Beat Street” in den DDR-Kinos gezeigt wurde.Die Frage, wie ich zur Kunst gekommen bin, kann ich so nicht beantworten. Die ersten Kunstbilder, die ich bewußt wahr genommen habe, waren Heiligenbilder bei meinen Stiefgroßeltern auf dem Land bzw. das Gemälde “Der Mann mit dem Goldhelm” im Wohnzimmer meiner Eltern.

Wann hast Du Fotorealismus, Dein Steckenpferd, für Dich entdeckt?
Fotorealismus habe ich ca. 1999 für mich entdeckt.

Okay anders gefragt: “Maclaim hat Fotorealismus mit der Sprühdose revolutioniert” kann man das so stehen lassen oder sollte man sogar weitergehen, wer hats erfunden?

Im Buch “Spraycan Art” sind schon Bilder, die von Fotos abgemalt worden. Akut, Case und ich hatten auch schon in den 90ern Vorbilder im FotoRealismus wie Earl aus Jena, Simo aus Dresden später Hamburg oder Chio aus Chemnitz. Alle von denen waren für ihre Zeit Vorreiter und perfekt und wir haben es nur intensiviert und auf einen neuen Level gebracht.

Was ist denn eigentlich Graffiti für Dich? Kunst, Abenteuer, Statement?

Auf alle Fälle etwas Individualistisches!

Bleiben wir noch kurz beim Thema, wie sieht es aus um Maclaim, ist ruhig geworden oder kommt es uns nur so vor?

Eine Frau beziehungsweise Frauen bringen meist Unruhe in Männerfreundschaften. Das ist auch im Graffiti nicht anders. Der Wechsel vom Studium zu Jobs, Umzüge quer durch Deutschland, neue Aufgaben und Verantwortung, unterschiedliche Entwicklungen… all das entfremdet. Aber welche Künstlergruppe, besteht schon über mehrere Jahrzehnte, wenn nicht Geld verdienen im Vordergrund steht?

Was ist Dein „künstlerischer“ Anspruch?

Mich mit meinen freien Arbeiten indendifizieren zu können und nichts zu machen, nur, weil es trendy ist oder sich gut verkauft. Auserdem möchte ich nichts machen, was ich bei anderen Künstlern gesehen habe.

Mal anders gefragt, ist Graffiti noch subversiv?

Subversiv in Subkultur: Der offiziellen Kultur, die für die offiziell erwünschten Werte eintritt, wird eine eigene Kultur entgegengesetzt, die gegensätzliche Inhalte propagiert, z. B. in der Pop- und Rock-Musik (Punk), in der elektronischen Musik (Freetekno), in der Kunst (Kunst in der DDR) oder der Literatur (Dissident)… meiner Meinung nach nur, wenn es illegal betrieben wird. Dann nach wie vor!

Siehst Du Dich heute in Hinsicht auf Akzeptanz gerechter behandelt als Künstler im Vergleich zu damals als Tasso der Anfänger?

Ich hatte eigentlich nie großartige Probleme, da ich erst mit 25 angefangen habe zu sprühen und die Kommentare der Passanten da sicher etwas mäßiger ausfielen, als bei einem 15-jährigem. Heutzutage habe ich ein Problem, wenn Kunden nicht erkennen, dass sie mit einem Graffiti ewas Einzigartiges, Spezielles, Individuelles bekommen und dies mit einer Wandtapete oder einem Kunstdruck vergleichen. Originale kosten nun mal, haben aber einen ganz anderen Wert und mit etwas Glück erfahren sie sogar eine Wertsteigerung.

Deine Wurzeln liegen in Meerane oder? Die Nähe zu Chemnitz oder Leipzig war damals da oder?

Chemnitz war mein erster, großer Informationstool neben Zwickau. Ich habe damals beruflich ehemalige KONSUM-Geschäfte ausgeräumt und so war ich mit zwei älteren Kollegen dauernd unterwegs, die dann jedesmal eine Zwangspause ertragen mussten, wenn ich irgendwo ein cooles Graffiti gesehen habe und es unbedingt fotografieren musste. Kennengelernt hab ich dann Writer von dort erst viel später.

Gab es da wo Du herkommst eigentlich jemals eine Szene? Meerane zählt zum Kreis der Kleinstädte richtig?

16.000 Einwohner – ja! Die Szene war und bin ich. Während der Jahre gab es immer mal ein paar, die 2-3 Jahre gemalt haben, aber dann schnell im Normalo-Kleinstadtleben verschwanden. Derzeit habe ich wieder eine schicke Hall of Fame organisiert, wo es sicher Jahre dauern wird, bis die mal zugemalt sein wird.

Wie unterscheidest Du Stile in unserem Bereich? Stylewriting, Graffoto, also Deinen Stil etc PP

Style im ursprünglichen Sinne ist ja Schrift, also wenn ich mein TASSO irgendwo hin male, ist es was anderes, als wenn ich das Portrait einer älteren Frau auf Leinwand sprühe. Mach ich mit Bleistift eine Skizze, ist es kein Graffiti und setz ich irgendwo Charactertags ist`s halt kein Graffoto. So einfach ist das. Ich fühle mich nicht in der Pflicht immer nur das Gleiche zu machen und mein FotoRealismus wird sich in Zukunft auch noch verändern, hoffe ich ; )

Graffiti und das Internet, was fällt Dir dazu ein?

Das Jeder jeden Scheiß veröffentlichen kann und es Leute noch hypen, die keinen Plan haben. Das negative dabei ist die Anonymität, denn man muss alles schlucken, was einem da vorgesetzt wird. Nein, muss ist falsch. Ich schaue mir eigentlich nie Sachen im Internet an, die mit Kunst oder Graffiti zu tun haben, wenn ich nicht zufällig anderswo darauf gestoßen bin. Manchmal jemand bei myspace, der mich geaddet hat, aber da muss das Bild im Profil schon arg neugierig machen nach mehr.

Wir hatten letztens die Information zur IBUg 2009 gepostet, ein paar abschliessende Worte von Dir dazu, was genau geschieht dort in Deiner Stadt?

Im Grunde ist die IBUg eine Resterverwertung von brauchbaren, interessanten Flächen, Räumen, Gegenständen im Rahmen alter Industriegebäude. Ursprüglich war es auch nur eine Anfrage an unsere Stadt, die ehemalige IFA (da wurde teilweise der Trabbi gebaut), bis zum Abriß zu nutzen. Zwei Jahre hab ich es dann nicht geschafft, bis auf das Ma`Claim-Buchcover, dort mal was zu malen. Als ich wieder mal von einer Reise zurück kam, erfuhr ich aus der Regionalpresse, dass die Hütte in 2 Monaten endgültig fallen sollte. So habe ich schnell sämtliche gespeicherte Kollegen angeschrieben, ob sie Bock hätten, sich da nochmal auszutoben. Auf Grund der überzeugenden Fotos von der Location ließen es sich sogar Loomit und Rok2 nicht nehmen, unentgeldlich zu kommen und was zu machen. Der Rest waren aber alles Künstler und Writer aus der Region, nicht alle die Riesenmaler, aber mit jeder Menge Experimentierfreudigkeit.

Du organisierst die IBUg selbst und in Eigenregie?

Nein, die IBUg lief nun schon das 4te Jahr und wir sind mit allem, was wir da begonnen haben, gewachsen. So habe ich auch schon letztes Jahr die Organisation in die Hände von Thomas Dietzte gegeben, der in diesem Jahr ein Spitzenteam hatte, die den Künstlern den Kopf frei hielten und für eine stimmige Atmosphäre sorgten. Ich selbst fühle mich inzwischen auch mehr als Gast, der aber gern hilft, so wie es die Zeit erlaubt. Das Besondere für mich an der IBUg ist, dass ich hier keinen Erwartungshaltungen gegenüber trete und evtl. Leute, die dann einen tollen FotoRealismus erwarten, enttäusche. Ich kann hier spielen und basteln nach Herzenslust, chille stressfrei mit den Leuten und lass es dann Abends auch gerne mal krachen. Ich feue mich schon auf`s nächste Jahr, hoffe auf mehr Anerkennung und Resonanz aus der Kunstszene, aber auch von Graffitipublikationen.

Vielen Dank für das Interview, noch was hinzuzufügen

Ohne viel Rummel, ich grüß mein treues, verständnisvolles, süßes Weib und entschuldige mich bei Simo, dass ich es nicht geschafft habe, mit ihm zu malen, sowie, bei allen, die manchmal meine Launigkeit ertragen müssen.

Tasso Website: ta55o.de
Tasso MySpace: myspace.com/el_kitsch_tasso
Maclaim Website und Blog: maclaim.de