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WOW123 Interview [DEUTSCH]

Seit dem letzten Interview mit Can2 sind einige Wochen vergangen, wir bleiben bei den StickupKids und der TMD. Wow123 aus Bremen hat uns einige Fragen beantwortet
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Moin, stell Dich nochmal kurz vor, für diejenigen welche dich noch nicht kennen. Du bist Wow123 aka Bed, präsentierst Dich aber seit diesem Jahr auch unter Deinem richtigen Namen, warum?

Ja richtig, Wow123 a.k.a Bed 74“Class of 1988″. Damals 1988 habe ich das Ganze zum ersten Mal bewusst wahrgenommen und zur Sprühdose gegriffen. Bei einem Familienbesuch in München bin ich auf die damals für mich legendären Flohmarkthallen gestoßen. Writer wie Loomit, Neon, Won und Cowboy waren dort sehr präsent. Meine Freunde und ich fanden damals Graffiti und Hip Hop im Allgemeinen als 14 jährige einfach total cool. Nach dieser Reise haben wir angefangen. Styles und Charakter zu zeichnen und in meiner Stadt, in Bremen, nach besprühten Flächen zu suchen. Das erste Piece habe ich dann zusammen mit meinem Cousin in der Nähe von Hannover gesprüht. Die Sprühdosen dafür haben wir bei einem Besuch in Westberlin im KADEWE besorgt. In einer Unterführung haben wir uns nachts ausgetobt, bis dann ein Passant die Polizei gerufen hatte. Wir sind mit etwas Glück rechtzeitig davon gekommen. Am nächsten Tag konnten wir uns über ein „Uzi Duz it“ Piece freuen. In Bremen kam es dann zu Kontakten zur damaligen Szene.
Und warum arbeitest Du nun seit diesem Jahr unter Deinem bürgerlichen Namen?

Nun, Markus Genesius ist die Person die hinter dem Tag „Wow123- a.k.a Bed 74“ steht. Somit für mich kein Problem meinen bürgerlichen Namen preiszugeben. Aus diesem Grund habe ich mich auch für die Internet Domain markus-genesius.com entschieden!

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Du kommst wie bereits erwähnt aus Bremen und schon ein wichtiger Name der lokalen Szene, fühlst Du Dich der dortigen Graffiti Gemeinde noch verbunden? Verfolgst Du Graffiti in Bremen heute noch?

Klar. Natürlich beobachte ich was in meiner Stadt so passiert, es ist wichtig zu sehen und zu verstehen wie sich die Szene immer wieder neu entdeckt. Es freut mich, wenn ich sehe wie sich die jüngere Generation entwickelt! Es gibt auf jeden Fall ziemlich viele junge kreative Köpfe….mir gefällt, was hier in den Straßen von Bremen passiert. Ich kenne nicht mehr jeden einzelnen Sprüher und wahrscheinlich auch nicht mehr die komplette Bremer Graffiti Szene, jedoch gibt es auf jeden Fall verschiedene Schnittstellen. Sprühdosen bekommt man in Bremen übrigens im „Big Chill “Store, die TNBOYS haben ein ordentliches Sortiment….

Aha.Wir haben Dich dieses Jahr das ein oder andere Mal auf einem Galerie bezeihungsweise Ausstellungs Flyer gesehen, willst Du nächstes Jahr mehr in diese Richtung machen?

Ja schon. Da der öffentliche Raum als ‚Spielwiese’ für mich schon in der Vergangenheit eine Art Grundlage war und ist, ist es eben auch bei mir nur eine Frage der Zeit gewesen. Das Medium Leinwand habe ich für mich als eine neue Möglichkeit in den Fokus rückt, um meine Kunst in einem anderen Format zu präsentieren. In einer Ausstellung und auf Leinwänden die Energie zu beschreiben, mit der ich eigentlich den öffentlichen Raum gestalte ist aber meiner Meinung nach unmöglich.

Ja das bemerken wir auch oft, der Spirit fehlt nicht selten, es ist schwer auf diesem Medium attraktiv zu arbeiten

Ja. Aber für mich ist es eben nur die logische Konsequenz nach 22 Jahren einen Teil meiner Arbeiten auf Leinwände zu konservieren. Die Dynamik verändert sich und bekommt einen anderen Ausdruck. Jedoch fällt es mir nicht schwer, mich auf einer nur begrenzten Arbeitsfläche auszudrücken. Ganz im Gegenteil bietet es mir neue Ansätze und fordert mich neue Wege zu gehen jedoch ohne Rücksicht auf alte Dogmen und Normen. Egal in welcher Form, ich liebe das traditionelle Graffiti Writing dennoch lasse ich mir keine Grenzen vorschreiben. Ich möchte experimentieren, aber auch die Eigendynamik der Graffiti Kultur weiter unterstützen. Es ist einfach ein weiterer Prozess in meiner eigenen Entwicklung als Sprüher.

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Kommen wir zu dem was wir von Dir kennen, Deine Buchstaben die ja schon einen gewissen Wiedererkennungswert haben. Heutzutage eher selten. Was hat Dich inspiriert und was inspiriert Dich heute noch?

Ja ich denke auch dass meine Buchstaben einen Wiedererkennungswert haben, weil ich von Anfang an sehr darauf geachtet habe, relativ sauber und clean zu arbeiten. Ich bin nicht auf einen Style festgelegt. Es gibt Styles von mir, die sehr mechanisch, sehr eckig, sehr blockig, meistens aber trotzdem relativ wild sind. Und dann gibt es Styles, die relativ entspannt auf das Auge wirken, Semi-Wild-Styles, die auf jeden Fall einen Einfluss aus New York haben. Ich versuche mich gelegentlich auch im 3D-Bereich und mit Bubble-Styles auszutoben. Wie erwähnt es ist schwierig zu beschreiben, weil ich versuche viele verschiedene Facetten zu zeigen. Aber ich glaube, dass man immer meine eigene persönliche Handschrift in meinen Styles und Bildern erkennen kann und das ist für mich das Wichtigste!

Also bist Du schon der Meinung ein Style sollte vielfältig sein ja?

Nun, ein Phänomen ist heute, dass es relativ viele gute aktive Leute weltweit gibt, die auf einem hohen Niveau sprühen. Jedoch verliert man auch sehr schnell den Überblick, weil viele einfach keine eigene Handschrift haben. Es gibt Styles die wirklich gut sind, aber man steht manchmal davor und fragt sich: „Kommt der Schriftzug nun aus Dänemark, LA oder Basel.“ Da ist im Laufe der Jahre und im Zuge des Internets ein ziemlicher Mix entstanden. Wenn du früher ein Bild aus Dortmund gesehen hast, wusstest du „ das ist ein Bild aus dem Pott!“ Und wenn du einen Style aus Amsterdam gesehen hast, dann kam der auch aus Amsterdam. Heute ist es wirklich schwierig, einen Style anhand pikanter Merkmale irgendeiner Stadt oder einem Land zuzuordnen. Als Beispiel die Os Gemeos, schon vor vielen Jahren oder die Maclaim Crew.

Maclaim Crew?

Ja, bei den Jungs konnte ich wirklich noch einen eigenen und neuen Stil beobachten. Übrigens sehr coole Typen. Die Maclaim Crew wurde schon von mir unterstützt, als sie noch unbekannt waren. Die Jungs sind sehr entspannt und wir haben bei gemeinsamen Projekten immer eine Menge Spaß! Mittlerweile versuchen sehr viele, ihren Style und ihre Arbeiten zu kopieren und das ist langsam langweilig. Ich kann schon keine gesprühten Augen oder Gesichter mehr sehen….Aber es freut mich auf der anderen Seite wie sich z.B gerade die Maclaims und natürlich auch die Os Gemeos zwischenzeitlich positionieren konnten.
Viele Style Writer achten aus meiner Sicht oft auch nicht mehr auf die eigentlichen Buchstaben und basteln Unmengen an merkwürdigen Elementen dazu und verpfuschen den Rest durch irgendwelche optischen Designs… und nur wenige überzeugen mich damit! Viele Writer sollten einfach zurück zur Basis! Weniger ist manchmal mehr… bevor es richtig wild wird! Zudem ist es für mich persönlich wichtig, das Piece, angefangen beim Style über den Backround und die Charakter, selber sprühen zu können.

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Nun, jeder hat eine gewissen Beeinflussung. Wirklich neu und innovativ sind die wenigsten Arbeiten, an was beziehungsweise wen hat sich Wow123 anfangs denn orientiert?

In den ersten Jahren haben mich in erster Linie Writer wie: z.B Seen, Mode2, Lokiss, Vulcan, T-Kid, TATS-Crew aus dem Buch Spraycan-Art total fasziniert. Ansonsten natürlich auch Leute wie Can2, Loomit, Cowboy, Amok, Won, Scout, Chintz, Sutil, Deeone, Hex und Bates, von dem ich übrigens noch nie einen Style gesehen habe der mir nicht gefallen hat!. Mein Homeboy Smash und die Jungs von der MSK Crew finde ich im Moment ziemlich fresh…daran wird sich wahrscheinlich auch so schnell nichts ändern. Zudem motivieren mich meine Jungs, wie Askew, Exist, Mr.Klark Kent,Serch, Atomboy……. von den Stick up Kids und der TMD Crew! Viele meine Inspirationen sauge ich meistens im Alltag auf, es gibt endlos viele Dinge die mich inspirieren, manchmal sind es auch nur kleine unbedeutende Dinge und unscheinbare Details……

Also nach allem was wir hier gelesen haben, für Dich gilt ganz klar: Style is the Key right?

Yes, it´s all about Style!

Schneiden wir mal kurz das Thema Street Art an, umfangreicher Gesprächsstoff

Den eigentlichen Begriff “Street Art” finde ich mittlerweile ziemlich ermüdend, es gibt aus diesem Bereich einige Künstler wie zum Beispiel Banksy die mich mit ihren Inhalten unterhalten und für die ich mich auch begeistern kann. Allerdings gibt es auch so unendlich viele Kopien, die einfach nur anstrengend sind und ich froh bin, wenn sie wieder irgendwo hinter der Bildfläche verschwinden. Qualität wird sich wie immer durchsetzen. Street Art hat aber die klassische Graffiti Kultur in einen anderen Fokus gerückt und zu einer zusätzlichen Aufmerksamkeit verholfen.

Also bist Du durchaus offen für Neues

ja, die Szene sollte neue Strömungen zulassen, dennoch nicht alles akzeptieren.

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Wir führen in den letzten Jahren immer mal Diskussionen über das Warum, die Beweggründe und so weiter. Warum macht man das eine so lange Zeit? Ist es heute ein anderer Beweggrund als damals?

Ich habe durch Graffiti viele coole und entspannte Menschen kennen gelernt und viele Länder dieser Welt bereisen dürfen und ich habe das Privileg, den öffentlichen Raum mitzugestalten. Ich bin unheimlich dankbar dafür und bin froh darüber dass ich mich irgendwann für Graffiti entschieden habe. Ich bin in jedem Fall noch motiviert, wie am ersten Tag und es kommen immer wieder neue Ideen oder Projekte, die ich umsetzen will. Außerdem versuche ich mir immer wieder neue Ziele zu stecken, was mir bisher gelungen ist und ich bin einfach froh ein Teil dieser Kultur zu sein. Allerdings bin ich mittlerweile 35 Jahre alt und habe eine siebenjährige Tochter, trage eine gewisse Verantwortung und habe einen gewissen Anspruch an das Leben. Dies bedeutet natürlich auch Einschränkungen, wenn man das mal auf Graffiti bezieht…..

Wie sieht denn ein typischer Tag im Leben eines 35jährigen Wow123 aus?

Naja, wenn alles gut läuft..aufstehen, frühstücken, arbeiten, Projekte organisieren, meine Tochter treffen, Zeit mit meiner Perle verbringen, sprühen, essen, Sneaker kaufen, Freunde treffen, joggen oder schwimmen, Computer, Sex, Stromberg im TV gucken, selten einfach nur relaxen, schlafen oder feiern und dabei…. feststellen das mein Tag 48 Stunden haben müsste!…und wieder aufstehen….

Kommen wir zu Deinen Crews, erzähl uns mal mehr darüber und was bedeutet Dir die Zugehörigkeit in einer Crew?

Ich repräsentiere, die Crew „Stick Up Kids „und die TMD-Crew. SUK wurde von Atom und Can2 gegründet, weitere Mitglieder sind zum Beispiel Daim, Askew, Kent, Persue, Exist, Serch und Desk7, um nur einige zu nennen. Die TMD Crew ist eine Connection zwischen Deutschland, Neuseeland und einem Ableger in Australien. Zwei weitere Crews, die ich nicht oft zu meinen Bildern schreibe, die mir aber auf eine bestimmte Art und Weise noch viel bedeuten, sind KB, die Kesselbande. Eine Connection zwischen Bremen, meinen Jungs aus Stuttgart und Kesy aus der Schweiz. Evil Sons, eine alte Crew aus Hamburg, der Gründer Daim und Duke. Und natürlich Almost Busted Crew Boogiedown Bremen.

Wow, sind ja eine ganze Menge, warum so vielen Crews angehören?

Meine Crews zu repräsentieren, ist mir auf jeden Fall wichtig. Die TMD Connection mit den Neuseeländern ist dadurch entstanden, dass die Jungs aus Auckland uns 2003 nach Neuseeland zu einem Festival eingeladen haben. Atom, Can2 und ich haben eine kleine Weltreise nach Neuseeland, Australien und Singapur für einige Wochen angetreten. Für mich hatte diese Reise einen extremen Stellenwert und besondere Erinnerungen. 3 Tage vor unserem Abflug ist meine Mutter gestorben. Die Neuseeländer, Atom und Can2 haben mir in dieser schwierigen und sehr harten Zeit einen starken Rückhalt gegeben. Man kann das eher als eine gute Freundschaft bezeichnen, es geht nicht immer nur primär um Graffiti, wichtig ist das Zwischenmenschliche. Graffiti hat bei uns mittlerweile einen sekundären Stellenwert. Die SUK Crew ist mir auf jeden Fall sehr wichtig. Es war vor Jahren für mich eine große Ehre nachdem ich von Can2 in die Crew aufgenommen wurde. Zudem spricht in die Qualität der beiden Crews einfach für sich.

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Graffiti in den 00ern, wer ist Deiner Meinung nach DER Newcomer im klassischen Graffiti Bereich, gibts da Kram der Dich umhaut und der neueren Generation entstammt?

Diese Frage beantworten zu können, fällt sehr schwer, denn aus meiner Sicht bedarf es einer gewissen Kontinuität! Es reicht mir nicht wenn ein Writer 1-2 Jahre auf den Putz haut und dann wieder in der Versenkung verschwindet…es wird sich zeigen…jedoch gibt es ganz ohne Zweifel eine Menge an sehr guten Sprüher!

In Zeiten digitaler Medien, was hält Wow123 von Portalen wie Streetfiles.org?

Bei den vielen Portalen im Internet kann man schon relativ schnell den Überblick verlieren, aber gerade auch Streetfiles finde ich ganz cool.

Was kommt von Dir in der Zukunft, kannst Du was verraten?

Als nächstes Projekt kommt im Januar “Graffiti Handmade”, eine Ausstellung im Kunstkreis Hameln zusammen mit Hendrik Beikirch aka ECB aus Koblenz. Wir basteln gerade an einem Katalog dafür, die Vernissage ist am Samstag dem 16. Januar 2010. Im Mai folgt dann vom 12.-16.5.2010 das Graffiti Festival “Graffiti-Gold of the Streets“ mit Revok, Aroe, Smash137, Toast, Akut, Atom, Cantwo, Flying Förtress und vielen weiteren Gästen. Im Sommer stehen dann auch einige weitere Festivals auf dem Plan…

Wir haben irgendwas von einem Buch zwitschern hören?

Ja richtig. Dazu basteln wir schon ordentlich. Das Buch “Wow123-Graffiti Class of 1988″ wird wenn alles gut läuft Ende 2010 erscheinen.

Wir sind gespannt, danke für das Interview, anything to add?

Kim “Uran One” KB Crew Rest in Peace!…we are always with you Homeboy! In love to my Girls: Lisa & Lil `E, greetings to all those who support me to now….TMD & SUK representing, baby!!! Thx Montana Germany…

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