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Einmal gesprüht – für immer verschuldet

20 Minuten Online mit dem Artikel “Einmal gesprüht – für immer verschuldet” aus Zürich.


Einmal gesprüht – für immer verschuldet
von Amir Mustedanagic (20min.ch)

Zwei junge Zürcher haben 350 Graffiti gesprayt. Ein teures Hobby, denn den Schaden von 130 000 Franken müssen sie nun berappen. Kein Einzelfall. Denn oft dokumentieren Sprayer ihre Taten selbst.

Lärmschutzwände, Hochhäuser, Eisenbahntrassen: Keine Oberfläche war zu rau, kein Ort zu abgelegen. 350 Mal griffen zwei 17-Jährige zur Spraydose und richteten innerhalb von 10 Monaten einen Schaden von 130 000 Franken an. Nun konnte sie die Polizei überführen. Sollten sie von der Jugendanwaltschaft verurteilt werden, blühen ihnen horrende Rechnungen. Denn: Die Geschädigten haben auf jeden Rappen der Schadensumme Anspruch.

«Das erste Auto, die erste eigene Wohnung, der erste grosse Urlaub – das sind dann schnell nur noch Zukunftsvisionen», sagt Priska Rast, Graffiti-Beauftragte der Stadt Zürich. Um das Geld für die entstandenen Kosten zurückzufordern, können die Geschädigten 30 Jahre lang Regress nehmen, so Rast. Kann der Sprüher nicht gleich bezahlen, erhalten die Geschädigten einen Schuldschein und können sogar Teile des Lohnes pfänden. «Die Sprayer sind sich dessen aber nicht bewusst.»

Zwei Sprayer, 1000 Graffitis und ein Schaden von 600 000 Franken

Dabei wird der Spass aus der Dose schnell teuer: Die Entfernung einer einzigen «Unterschrift», ein sogenanntes «Tag», kostet schnell 300 bis 500 Franken. Grössere Graffiti erreichen schnell Kosten von Tausenden von Franken. Wer immer und immer wieder seine Zeichen hinterlässt, muss nur einmal erwischt werden und die Schadensumme schiesst in den Hunderttausend-Franken-Bereich. Denn: Dank der Tags und den Signierungen auf den Graffitis können die Sprayereien ihren Urhebern zugeteilt werden.

In Zug wies die Polizei einer Sprayer-Bande über 170 Straftaten nach. Schadensumme: 500 000 Franken. Von den 12 angeschuldigten Sprühern wurde bisher einer verurteilt. Er muss für 20 000 Franken gerade stehen. Noch teurer dürfte es für zwei Tessiner werden: Die Beiden waren am 1. Januar 2009 in flagranti erwischt worden, als sie gerade einen SBB-Waggon besprühten. Nicht der erste, wie die Polizei feststellte. Auf einem PC der beiden entdeckte sie Fotos von rund tausend weiteren versprühten Zügen und Bauten. Schadensumme: 600 000 Franken. Das Verfahren gegen sie läuft noch. Eines ist aber bereits jetzt sicher: Werden sie verurteilt, wird es teuer.

SBB haben jährliche Schäden von sieben Millionen Franken

«Wir verlangen grundsätzlich jeden Franken des Schadens von Tätern zurück», sagt SBB-Sprecher Daniele Pallecchi. Den SBB entstehen durch Sachbeschädigungen gemäss Pallecchi jährlich Kosten von sechs bis sieben Millionen Franken. Darunter fallen das Zerschneiden von Polstern, das Zerkratzen von Fenstern oder eben das Besprayen von Waggons oder Lokomotiven. «Wir erhalten aber nur einen kleinen Teil des Geldes zurück, das Meiste müssen wir selbst tragen», sagt Pallecchi. Die Aufklärungsquote ist bei solchen Vandalenakten tief. Wird ein Sprayer nicht auf frischer Tat ertappt, fehlen oft die nötigen Beweise.

Die SBB haben deshalb ihre Bemühungen verstärkt: Die Abstellplätze der Züge werden seit einigen Jahren beleuchtet und bewacht. Mit positivem Effekt. Die Schadensumme hat sich in den vergangenen Jahren nicht erhöht, obwohl immer mehr Rollmaterial gemäss SBB unterwegs ist – und damit auch mehr Angriffsfläche.