Archiv

Smash137 – Interview – Basler Zeitung

Smash137 mit einem interessanten Interview über seine aktuelle Ausstellung in Paris und neue Wege, jump!

Der Basler Sprayer Smash137 gehört zu den bekanntesten Graffiti-Künstlern der Welt. In der Kunstwelt hingegen ist der bald 32-Jährige noch ein «absolutes Greenhorn», wie er sagt. Das soll sich nun ändern. Zum Beispiel dank seiner Einzelausstellung «Grow Up!», die noch bis am Samstag in der Pariser Galerie Celal gezeigt wird (ab in den TGV…es ist noch nicht zu spät). Vor dem Paris-Abenteuer meinte Smash137, dass seine zehnte Solo-Show wegweisend ist für den weiteren Verlauf seiner Karriere. Im grossen Schlaglicht-Interview zieht der Basler Künstler ein Zwischenfazit. Und er redet über Risiken, Zweifel, seine Beziehung zu Buchstaben – und über sein Gesicht.

Smash137, warum der Ausstellungs-Titel «Grow Up!»? Bist Du nun erwachsen, oder soll das eine Aufforderung sein, endlich erwachsen zu werden?

Das hat verschiedene Bedeutungen. Zum Einen bekam ich diesen Satz schon mein ganzes Leben zu hören. Eigentlich hiess es ja schon im Kindergarten: «Nächstes Jahr bist du bei den Grossen, dann geht das nicht mehr». Und trotzdem ging es immer (lacht). Vielleicht feier ich auch, dass ich meinen Weg bis jetzt immer gehen konnte, dass es eben doch funktioniert. Andererseits geht es natürlich auch darum, dass in Punkto Urban Art etwas passieren muss. Deshalb zeige ich jetzt auch mein Gesicht – ich will Teil dieser Gesellschaft sein und nicht immer am Rand stehen. Jemand, der sich versteckt, ist für die Leute halt einfach ein Krimineller und das ist nicht in meinem Sinn.

Dass Du nach alle den Jahren auf Fotos Dein Gesicht zeigst, hast Du selber entschieden und wurde Dir nicht von einem Galeristen nahe gelegt?

Nein, das kommt wirklich von mir. Für mich war das eine riesige Befreiung. Früher musste ich bei den Fotos immer kontrollieren, dass man nicht zu viel von mir erkennt. Es war einfach nur mühsam. Ich spraye ja immer noch in der Nacht, aber ich mache es auf eine Art und Weise, die niemanden stört oder verletzt. Ich sehe mich wirklich nicht in der Illegalität. Andere aus meinem Genre vermummen sich ganz gezielt, weil es seit Banksy cool ist, jemand zu sein, von dem man nichts genaues weiss. Oft ist das aber auch nur ein Verstecken, um sich zu seiner Arbeit nicht äussern zu müssen. Dass ich jetzt mein Gesicht zeige, ist Teil des «Grow Up!»-Gedankens. Ich spraye jetzt immerhin schon fast zwei drittel meines Lebens, da fühlt es sich einfach nicht mehr richtig an, sich für einen riesigen Teil seines Lebens zu verstecken.

Wie verläuft denn Deine Solo-Ausstellung «Grow Up!» in Paris?

Bis jetzt super. Alle Erwartungen sind eingetroffen. Ich hatte eigentlich drei Eröffnungen. Die erste war nur für Sammler, dann die normale Vernissage und zwei Wochen später ein Katalog-Signing – alle drei Events waren sehr gut besucht mit Graffiti-Fans und vor allem auch mit sehr vielen Sammlern. Die Ausstellung ist schon jetzt praktisch ausverkauft. Das junge Graffiti- und Streetart-Publikum kommt zwar in Scharen, aber die kaufen meist nichts.

Die würden gerne Geld ausgeben, aber können sich die Preise normalerweise nicht leisten, oder?

Genau. Deshalb habe ich für diese Ausstellung auch extra einen Siebdruck hergestellt, welcher den ersten hundert Besuchern geschenkt wurde. Das geisterte vorab auch durch die Pariser Medien – drei, vier Stunden vor der Eröffnung hatte sich jedenfalls schon eine lange Warteschlange vor der Galerie Celal gebildet. Eigentlich sollten ja junge Leute, die sich sonst nichts leisten können, diese Prints bekommen – ich war dann sehr überrascht, dass auch viele ältere Leute stundenlang in der Schlange gewartet haben.

Du hast gesagt, alle Deine Erwartungen hätten sich erfüllt. Was hast Du denn erwartet?

In erster Linie wusste ich nicht, wie die Leute auf meine neuen Arbeiten reagieren werden. Ich habe dieses Jahr viele andere Ausstellungen abgesagt, um mich ab dem 4. Januar auf meine erste Solo-Show in Paris vorzubereiten. Sonst mache ich von Ausstellung zu Ausstellung jeweils einen einzigen Schritt nach vorne, diesmal wollte ich gleich mehrere Schritte vorwärts kommen – hin zu einem neuen Look. Da war ich mir teilweise auch ein wenig unsicher darüber, ob die Leute das wirklich verstehen werden und sehen wollen. Doch es hat funktioniert, die neuen Bilder kommen super an.

Wie hast Du dich auf diese Ausstellung vorbereitet?

Von den Bildern, die ich in den vergangenen zehn Monaten für «Grow Up!» gemacht habe, landeten etwa 40 Werke in Paris. Natürlich habe ich viel mehr Bilder gemalt, aber es ging mir halt wirklich darum, einen neuen Look zu kreieren. Die Leute haben ja immer behauptet, dass sie meine Urban-Art-Werke in der Galerie nicht mehr spüren können und dass diese Kunst zum Entdecken auf die Strasse gehört. Trotzdem habe ich immer probiert, den Flair der Strasse in die Galerie zu transportieren – für diese Ausstellung habe ich das jetzt komplett auf der Seite gelassen. Mich interessiert gar nicht mehr, ob man mich jetzt Urban-Art-Künstler nennt oder was auch immer… Ich wollte einfach gute, zeitgemässe Arbeiten machen.

Was ist denn diesmal anders an Deinen Bildern?

Ich komme ja aus dem sogenannten «Style-Writing», bei welchem Buchstaben sehr wichtig sind. Gleichzeitig sind diese aber auch total unwichtig, weil die Schrift erfunden wurde, um eine Botschaft zu überbringen. Wenn die Leute also Buchstaben sehen, suchen sie sofort die Mitteilung dahinter. Aber in der Kunst, die ich mache, haben die Buchstaben und das Wort keine Bedeutung. Es geht darum, wie ich etwas schreibe. Darum, dass man die Buchstaben nicht mehr liest, sondern fühlt. Ich war immer enttäuscht als ich sah, wie die Leute versuchten meine Bilder zu lesen und wenn sie diese entziffern konnten, war die Sache erledigt. Bei den Werken für diese Ausstellung hat zwar jedes Bild noch irgendwo meinen Schriftzug drinn, aber ich wollte absolut nicht mehr, dass die Leute diesen lesen.

Deine Buchstaben wurden über die Jahre immer verspielter. In welche Richtung geht die Style-Reise künftig?

Momentan geht es stark ins Abstrakte hinein, in den Ausdruck der einzelnen Linien. Ich probiere die ganze Energie meiner Kultur und meiner Generation etwa in diese Fatcap-Linien (breite Spraydosen-Striche, Anm. d. Red.) reinzupacken und mich so mitzuteilen.

Vor «Grow Up!» sagtest Du, dass diese Ausstellung richtungweisend sein wird für den weiteren Verlauf Deiner Künstlerkarriere und dass Du bei einem Misserfolg wieder einen Nebenjob annehmen musst. Kannst Du nun, wenige Tage vor dem Ende der Ausstellung, abschätzen, wie es weitergeht?

Dass ich vielleicht wieder einen Nebenjob annehmen muss, meinte ich, weil ich ja fast das ganze Jahr für diese eine Ausstellung gearbeitet habe und mich so auch finanziell ganz schön weit aus dem Fenster lehnte. Ich ging ein so hohes Risiko ein, dass es diesmal funktionieren musste. Aber die Rechnung ging sehr gut auf. Und durch den Erfolg mit «Grow Up!» wurde der Hype ja eben erst generiert – jetzt haben die Pariser Bock. Es gibt schon fast eine Warteliste. Ich kann mich nicht beklagen. Zudem stehen dieses Wochenende noch eine Gruppenausstellung in Heidelberg und im Februar eine in HongKong an. Und im Mai gibt es dann wieder eine grosse Solo-Show in der Genfer Galerie Speerstra.

Wie gross ist der Struggle, ein seriöses Erwachsenenleben mit Kunst zu bestreiten?

Die Kunst verlangt einem eigentlich schon mehr ab, als dann auch zurückkommt. Wenn man das macht, um Geld zu verdienen, ist man hier ganz sicher falsch aufgehoben. Aber da ich das wirklich machen will, egal ob erfolgreich oder nicht, bin ich mit dem momentanen Erfolg fast schon gesegnet.

Im Graffiti-Bereich hast Du ja fast alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Wie würdest Du dein internationales Standing in der Kunstwelt einschätzen?

In Sachen Graffiti gehöre ich sicher weltweit zur vorderen Spitze, zu den alteingesessenen Hasen. Aber was die Kunstwelt anbelangt, da gehöre ich noch zu den absoluten Greenhorns. Das sind schon zwei verschiedenen Welten. Der berühmte deutsche Maler Neo Rauch hat einmal gesagt, dass man in der Malerei mit 50 Jahren gerade mal ein Teenie ist. Er hat recht. Da gibt es also nach viel zu tun für mich – da habe ich aber auch Bock drauf.

Was sind die überraschendsten Reaktionen aus der Welt der Galeriekunst auf Deine Bilder? Welches die nervigsten?

Was ich nicht mehr hören kann, ist die Frage nach der Illegalität. Sehr positiv ist hingegen, dass ich – gerade auch bei der neuen Ausstellung – oft mit Künstlern verglichen werde, zu denen ich aufschaue. Wassily Kandinsky zum Beispiel. Das fühlt sich schon gut an.

Du erntest für Deine Bilder viele Kommentare via Facebook. Was ist das für ein Gedanke, dass viele Interessierte Deine Bilder gar nie in echt, sondern nur als digitales Abbild zu Gesicht bekommen?

Das ist super! Ansonsten würden sie meine Bilder ja gar nicht sehen. Die Idee des Sprayens war ja schon immer, dass man nicht auf das Publikum wartet, sondern, dass man zu den Leuten geht. Durch das Internet stellst du deine Bilder den Leuten quasi direkt in die Wohnung. Es macht vieles einfacher. Heute gibt es ja auch den Trend, dass Leute auf einem Abrissgelände malen gehen, wo wirklich kein Mensch ihre Bilder sieht. Dass man davon dann aber ein Foto ins Netz stellen kann und man innerhalb von zwei Stunden 200 «likes» bekommt, gibt der Sache wieder einen Sinn.

Interview: Joel Gernet / Basler Zeitung
Fotos: Graffuturism / Ruedione.com