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SCHIRN Kolumne – São Paulo & Rio de Janeiro


SCHIRN-Ausstellungsleiterin Esther Schlicht erzählt von Hochhausfassaden, Favelas und Galerien in São Paulo und Rio de Janeiro…

Die Kunst der Straße
São Paulo und Rio de Janeiro

Kuratorin Esther Schlicht entdeckte in den wuchernden brasilianischen Metropolen São Paulo und Rio de Janeiro eine beeindruckende Street Art-Szene auf Hochhausfassaden, in den Favelas und sogar in Galerien.

“In fact one never really comes back from Brazil” schrieb ein befreundeter Kollege vor unserer Reise und jetzt verstehe ich was er meint.

São Paulo ist eine unüberschaubare, chaotisch wuchernde 20-Millionen-Einwohner-Metropole, die in den letzten Jahren neben Biennale, Kunstmesse, florierenden Galerien und vitalen Institutionen insbesondere auch zu einem Zentrum der Street Art herangewachsen ist – mit einer der weltweit interessantesten Szenen in diesem Bereich.

Ein ungeheuer dichtes und buntes Gesamtkunstwerk

Bei jeder Taxifahrt begegnen einem die eindrucksvollsten Graffitis unvermittelt an Mauern und Hausfassaden. Es lohnt sich aber auch gezielt auf die Suche zu gehen. Baixo Ribeiro, Gründer der in Sachen Street Art führenden Galerie und Projektplattform „Choque Cultural“ führt uns zum Beco do Graffiti in Vila Madalena im Westen der Stadt: Ein Gewirr aus Straßen und Gassen mit zum Teil ganz normal bewohnten Häusern.

Die Grafiteros haben sich die Flächen untereinander aufgeteilt und ein ungeheuer dichtes, buntes, in ständigem Wandel befindliches Gesamtkunstwerk geschaffen. Auf engstem Raum lassen sich hier die unterschiedlichsten Tendenzen und Stile ausmachen. Abstraktes steht neben Figurativem, heitere neben apokalyptischen Bildern. US-amerikanische, japanische oder afrikanische Einflüsse mischen sich mit Elementen uralter indigener Traditionen und moderner brasilianischer Kultur zu ganz unerwarteten Ausdrucksformen.

Unter Lebensgefahr in schwindelnden Höhen

Viele der gemäldehaften, auch in der lateinamerikanischen Tradition des Muralismus stehenden Bilder sind heute legalisiert und an Orten wie dem „Open Air Museum“ im Norden der Stadt in verdichteter Form zu bestaunen – ihre Schöpfer zum Teil auch im internationalen Kunstbetrieb aktiv.

Nach wie vor sind in São Paulo aber auch andere, definitiv subversive Formen von Graffiti omnipräsent: Pixação etwa ist eine besondere Art des Tagging – basierend auf einem runenartigen, kaum zu entziffernden Alphabet. In Gangs bringen Jugendliche die Zeichen oft unter Lebensgefahr in schwindelnden Höhen an und markieren so ihr Terrain, zum Unwillen von Politik und Bevölkerung.

…weiterlesen und mehr Fotos hier in der Kolumne von Esther Schlicht im Schirn Online Magazin