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Bogotá – Graffitisprüher von der Polizei erschossen

Mitte November hatten wir bereits von ähnlichen Fällen auf columbiareports.com gelesen, ein 16-jähriger Müllsammler wurde von Polizisten erschossen, vor Jahren hatte eine Spezialeinheit einen 15-Jährigen bei einer Demonstration zu Tode geprügelt – beide Morde blieben bis heute ungestraft. Wenn Unschuldige in Kolumbien getötet werden, folgt oft keine Konsequenz, Menschenrechtsaktivisten und Anwälte prangern die hohe Straflosigkeit, auch bei Vergehen von staatlichen Sicherheitskräften, an. Der Strafverfolgung des aktuellen Falls wird allerdings mehr Druck verliehen, durch die Familie von Diego und internationale Medienberichte. Darüber informiert hat uns Diego´s Vater persönlich mit der Bitte das zu veröffentllichen. Es geht um den Mord am 16-Jährigen Diego Felipe Becerra, der vor vier Monaten von einem Polizisten in Bogotá erschossen wurde, nachdem er zusammen mit anderen Jugendlichen Graffitis auf öffentliche Mauern gesprüht hatte. Mehr zu dem Fall und Hintergründe nach dem Jump


Eltern des ermordeten 16-Jährigen

Hi. my friends of http://ilovegraffiti.de/, i’m Diego Felipe’s father. Diego was a young graffitiest in Bogota Columbia murdered by a policeman. I’m writing you to ask for support to pass the news around Europe and the graffiti communiti to show the social injustice the street artists are suffering in Colombia. Our son was murdered in an extrajudicial execution, the policemen shot him in his back with a distance of 1,50 metters in complete defenselessness after being surprised doing a graffiti. I’ll appreciate your help and the attention you give to the note.

Im Norden von Bogotá wollten vier Freunde im August ein paar Mauern mit Graffiti besprühen bis eine Polizeistreife die jungen Sprayer entdeckte, versuchten sie zu fliehen. Nicht unüblich. Dabei wurde der 16-jährige Kolumbianer Diego Felipe Becerra von einem Polizisten erschossen. Das berichtet der Vater des Jungen. Einer der Freunde berichtete der kolumbianischen Wochenzeitung Semana zufolge, er habe sich nach Diego umgedreht und ihn am Boden liegen sehen: “Er rief mir zu, dass er seine Beine nicht mehr spürt.” Der Polizist hatte den jungen Sprayer zweimal getroffen – in die Schulter, in den Rücken, eine der Kugeln drang in die Lunge ein, der 16-Jährige starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.

Der Skandal weitet sich nach dem Tod von Diego Felipe Becerra aus – denn die Polizei behauptete, sie sei alarmiert worden, weil Jugendliche einen Bus ausgeraubt hätten und sie hätten geglaubt, die Sprayer seien die Täter gewesen. Doch die einzigen Waffen, die die Gruppe bei sich hatte, waren Sprühdosen. “Er hätte es nicht nötig gehabt zu stehlen”, betonte ein Klassenkamerad von Diego bei dessen Beerdigung.

Diego Felipe Becerra wirkt auf Fotos weder kriminell noch aggresiv. Ein unglaublicher Fall. Es folgt ein Artikel von amerika21

Kolumbianische Polizeioffiziere auf der Anklagebank
16-Jähriger Straßenkünstler von der Polizei ermordet. Beamte sollen den Tatort manipuliert und Beweise gefälscht haben
Von Hans Weber / amerika21.de / Fotos: Flickr

Bogotá. Die kolumbianische Staatsanwaltschaft hat die Eröffnung eines Prozesses gegen den Vizekommandeur der Polizei von Bogotá, Oberst José Vivas, und drei weitere Polizisten angeordnet. Sie werden der Manipulation des Tatorts nach dem Mord an dem 16-Jährigen Diego Felipe Becerra beschuldigt. Der Minderjährige wurde vor drei Monaten von einem Polizisten in Bogotá erschossen, nachdem er zusammen mit anderen Jugendlichen künstlerische Graffitis auf öffentliche Mauern gesprüht hatte. Der Fall wurde zu einem großen Skandal in Kolumbien. “Nicht nur haben sie unseren wehrlosen Sohn getötet. Hinzu kommt die Unverschämtheit, dass hohe Polizeioffiziere den Mord vertuscht haben”, klagt Gustavo Trejos, der Vater des Getöteten, gegenüber amerika21.de. Der Kommandeur der Polizei in Bogotá, General Patiño, verbreitete die Erklärung, dass Becerras Tod im Rahmen einer Verfolgung durch einen Polizeibeamten erfolgte. Der Junge und seine “Bande” hätten zuvor einen bewaffneten Raubüberfall begangen. Inzwischen wurde jedoch festgestellt, dass die Polizei gefälschte Beweise vorgelegt hatte.Der Kommandeur der Nationalpolizei, General Oscar Naranjo, bekannte zwar, dass der Tod des Jugendlichen Folge eines übermäßig gewaltsamen Einsatzes war. Er stritt jedoch ab, dass die Behörde manipuliert hat. Die Aussagen seien ohne jeglichen Einfluss der Polizei gemacht worden, sagte Naranjo. Dem widersprach Trejos gegenüber amerika21.de. Ein angeblicher Zeuge sei immer wieder in Begleitung des Pressesprechers der Polizei von Bogotá zu sehen gewesen, wenn er bei Nachrichtensendungen Erklärungen abgab. Schon dies widerlege die Mitteilung des Generals, so Trejos. Auch die Übertragung der Untersuchungen an die Militärjustiz durch die Generalstaatsanwältin Vivian Morales hinterließ viele Fragen. Sie definierte die Erschießung als Aktion des Polizeieinsatzes und übersprang damit Entscheidungsmechanismen der Justiz. Sie habe außerdem ausschlaggebende Dokumente in der Prozessakte außen vor gelassen, welche die Zurückweisung des Falls an die Ziviljustiz erforderlich machten, sagt Trejos. Dies sei der Fall bei einem Bericht des Hohen Kommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen, den Morales vollkommen ignoriert habe. “Wir wollen Gerechtigkeit. Alle hohen Offiziere, die in die Manipulation verwickelt sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden”, sagte Diegos Mutter Liliana Lizarazo gegenüber amerika21.de. Mittlerweile wissen die Eltern, dass ihre Telefone abgehört werden. Menschen, die sich bezüglich des Falls mit ihnen treffen, werden überwacht und minderjährige Freunde des Ermordeten sind durch die Polizei bedroht worden. Polizisten haben sogar einen von ihnen für drei Stunden entführt und illegalen Befragungen durchgeführt. Bisher habe die kolumbianische Presse sich auf die Seite der Eltern des Opfers gestellt, erklärt Lizarazo. Dies sei eine fundamentale Unterstützung gewesen. Andere Opfer der Polizei wie der 16-Jährige Fredy Vidal, der Müll sammelte und Mitte November im Dorf Guapí erschossen wurde, erregen hingegen in der Regel keine Aufmerksamkeit in den großen Medien. Ähnlich ging es dem 15-Jährigen Nicolás Neira. Er wurde im Jahr 2005 bei einer Demonstration von der Aufstandsbekämpfungseinheit ESMAD zu Tode geprügelt. Dieser Mord ist bis heute straflos geblieben.



Diego Felipe Becerra neben einem seiner Graffitis


Vicepresidente, al frente de investigacion del asesinato del grafitero / El Tiempo News


Video vom Trauerzug / Trauerfeier von Diego Felipe Becerra in Bogota


UN condemns police shooting of Colombian graffiti artist

colombiareports.com.

The United Nations Office for Human Rights in Colombia, has sent an open letter to the Prosecutor General’s Office condemning police responsibility for the death of young graffiti artist in Bogota, August 19, 2011. “The Office has followed the case, and through its monitoring work found evidence indicating excessive use of force by the public servant who caused the death of the child,” the UN office stated in the letter. Furthermore the High Commissioner and other human rights bodies of the United Nations have recommended the Colombian state step up efforts to investigate, prosecute and punish those involved. The police affirmed that Diego Felipe Becerra was killed by an officer following an attempted armed robbery of a bus, however this claim remains shrouded in uncertainty. The autopsy report revealed that Becerra was shot in the back from close range supporting family claims that he was killed while he attempted to hide from the officer. The Bogota police chief has denied this claim insisting that the police responded to a reported armed robbery and that an armed Becerra confronted officers when they arrived. General Francisco Patiño claims that two officers arrived at the scene and when one pursued Becerra “it seemed that the young man was going to shoot” so the officer responded. The autopsy report also revealed that the victim had paint on his hands when he was killed, supporting the claim of one of Diego’s friends that the police arrived to reprimand the youths for painting graffiti on Boyaca Avenue, as reported by Semana. The officer responsible was identified and removed from duty following an investigation by the Prosecutor General’s Office in August. The family continue to raise important questions surrounding the death of the boy. “Why, if the young man was preparing to shoot, was his back to the officer? “Why, if the group of youths were involved in an armed robbery, were the boy’s friends not arrested, especially since one of them travelled with Diego to the hospital where, he was face to face with the police? Why has nobody heard from the passengers of the bus who were the alleged victims of the supposed robbery?” they asked in an interview with Semana. In August, Colombian newspaper El Espectador reported that they had spoken to the bus driver involved, and he recognised Diego as the armed robber. “I saw his face in the newspaper and it seems that I saw him through the glass [of the bus window] and he told me to move slowly or he would shoot,” said the bus driver, who did not want to be named. Despite this claim the boy’s father remains convinced of his son’s innocence, “I want to make it clear that he was not stealing, he was not a criminal,”. While the truth remains uncertain, UN condemnation is sure to increase the urgency and interest surrounding the ongoing investigations into the shooting.