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BERLIN – Art & Toys – Collection Selim Varol

Ein Düsseldorfer Geschäftsmann hat aus seiner einzigartigen Sammlung an Plastikfiguren, Skulpturen, Leinwandarbeiten und Prints ein interessantes Berliner Kunstereignis gemacht. Seit 26. Mai und noch bis 16. September 2012 präsentiert der me Collectors Room Berlin die Sammlung von Selim Varol. Der 39-jährige sammelt seit seiner Kindheit Toys und besitzt mit rund 15.000 Figuren eine der größten Sammlungen Europas. Einen weiteren Sammlungsschwerpunkt bilden Arbeiten von Künstlern, die ihren Ursprung in Street Art und im ‘Pop-Surrealismus’ haben. Viele Werke der Sammlung sind durch ihre Präsenz im öffentlichen Raum bekannt. Shepard OBEY Fairey aus den USA, JR aus Frankreich oder KAWS, der mit mehr als 160 Werken in dieser Ausstellung vertreten ist. 3.000 Werke von mehr als 200 Künstlern & Designern aus über 20 Ländern werden bei “ART & TOYS” gezeigt, eine Auswahl plus einen Artikel aus der Zeitschrift Welt gibt´s nach dem Jump

ART & TOYS – Selim Varol (Die Welt)

Selim Varol, 35, ist nicht nur seit neuestem Galerist. Vor allem ist er ein Sammler. Er trägt Plastikfiguren zusammen, zumeist asiatischer Herkunft. Figuren aus Filmen wie Star Wars, Batman und Rambo. Wesen wie Hulk und Barbie und solche, die man noch nie sah, aber auch dem wirklichen Leben entnommene Figuren mit den Gesichtern von George Bush, Osama Bin Laden und Hitler. Rund 10 000 solcher Objekte hat er gesammelt. Und seit das Frankfurter Künstlerpaar Daniel und Geo Fuchs einen Teil des gesammelten Kunst-Spielzeugs fotografierte und großformatig in Szene setzte, reisen Varols Plastik-Batmans, -Rambos und -Hitlers von Schau zu Schau.

Bis zum vergangenen Mittwoch etwa waren die “Toygiants” in Selim Varols Galerie an der Kö zu sehen. Und wer am letzten Ausstellungstag an den Bildern entlangging, konnte auf jedem die einschlägigen Punkte sehen, die “verkauft” bedeuten oder “reserviert”. Angesichts von vier- bis fünfstelligen Preisen eine respektable Leistung; wobei zu berücksichtigen ist, dass die Werke, in sehr kleinen Auflagen erhältlich, fast zeitgleich in Berlin und Barcelona zu sehen waren.

Der Erfolg dürfte damit zu tun haben, dass die Spielzeug-Objekte Zeitgeschichte dokumentieren; je moderner, desto martialischer wirken sie. Vor allem aber ist die Fotografie unwiderstehlich: Die künstlichen Figuren scheinen in ihrer Parallelwelt tatsächlich zu leben und sich sogar zu kennen.

Selim Varol sagt, er habe in Düsseldorf kein Museum gefunden, mit dem zusammen er eine Ausstellung hätte konzipieren können. Also habe er sich gesagt: Hey, eröffne ich halt meine eigene Galerie. Schließlich steht er nicht mittellos da: Zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder leitet er das Kaarster Telekommunikations-Unternehmen “Mega”, das rund 500 Mitarbeiter beschäftigt; bekanntestes Firmenprodukt dürfte die Telefon-Auskunft 11 88 3 sein.

Der Sammler, Galerist und Geschäftsmann Selim Varol, seit gut zehn Jahren in Düsseldorf zuhause, ist demnach ein Mann, über den sich mühelos mehrere Geschichten erzählen ließen. Etwa auch über Integration: Varols Familie stammt aus der Türkei. Selim war zwei, als sie nach Deutschland übersiedelte, erst nach Duisburg, dann nach Dinslaken. Die bunteste von allen aber hat mit den Plastik-Figuren zu tun. Und mit einer Art Kindheitstrauma. Es geschah in Dinslaken, Selim Varol war 13. Eines Tages kam er nach Hause, und was musste er feststellen? Seine Mutter hatte sein Spielzeug verschenkt – weil sie der Meinung war, der Junge sei dafür zu alt. Damals schwor er sich: “Das hole ich mir wieder.” Er fing zu sammeln an, erst auf Trödel-, später auf Sammlermärkten, dann auch bei Ebay. “Voll angefixt” war er schließlich, als er bei einem Japan-Besuch in die dortige Welt des Kunstspielzeugs eintauchte, des “Designer-Vinyls” der amerikanischen Comic-Helden und japanischen Manga-Superstars. Er dekorierte damit in Berlin ein Geschäft. Die Künstler Daniel und Geo Fuchs liefen daran vorbei und waren ihrerseits derartig von den Figuren begeistert, dass sie sie unbedingt fotografisch inszenieren wollten. Varol machte sie mit seiner Sammlung vertraut. Und nach gut dreijähriger Arbeit waren das künstlerische Werk und ein Buch darüber entstanden (siehe Kasten).

Diese ganze facettenreiche Geschichte – vom Familien-Business und von der Sammlung, der Galerie und dem Kindheitstrauma, zuletzt auch noch von einer Kunst- und einer Telekommunikations-Zeitschrift, die er in der Türkei herausgibt – erzählt Selim Varol in seiner Loftwohnung bei einem Espresso binnen ungefähr vierzehn Minuten. “So, das war die short story”, resümiert er lächelnd, und wir verlassen die Wohnung. Vor dem Haus parkt ein militärgrüner Porsche 911. Auf dem Heck ein kleiner Aufkleber: “peace”. Varols Auto.

Am Abend dann die Eröffnung mit Werken des Berliners Thomas “Marok” Marecki, ein Grafikdesigner, der 1995 das Popkulturmagazin “Lodown” gründete. In der Galerie finden sich junge, szenige Menschen ein – ein Abendpublikum, das man an der gediegenen Königsallee noch nie traf. Fast ein Kulturschock. Jedoch einer von kurzer Dauer. Selim Varol hat das Ladenlokal nur bis Ende des Jahres gemietet. Die Galerie heißt im Untertitel “con-temporary gallery”, und es ist Teil des Konzepts, frische Kunst an wechselnden Standorten zu präsentieren. Schade für die Kö. Aber gut für die Landeshauptstadt, denn der will Varol in den nächsten zwei, drei Jahren die Treue halten.

From 26 May to 16 September 2012, me Collectors Room Berlin will be presenting the collection of Selim Varol. The 39-year-old collector from Düsseldorf with Turkish roots has been collecting toys since his childhood and owns one of the largest collections of figurines in Europe, numbering some 15,000 pieces. A further focus of his collection lies in works by artists who trace their origins back to street art and ‘Pop Surrealism’. Many works in this collection are well-known due to their presence in public spaces. Shepard Fairey helped create a groundswell for Barack Obama with his iconic ‘HOPE’ poster during the United States presidential race in 2008. And JR, the current TED Prize winner, attracted international attention in 2008 with his film ‘28 millimètres: Women Are Heroes’ in the favelas of Rio de Janeiro. The New York artist KAWS is another artist who has exerted a major influence on Selim Varol’s collection, with Varol’s first acquisition of his work in 1999. He is represented in this exhibition with more than 160 works. The exhibition includes a total of 3,000 works by more than 200 artists & designers from over 20 countries.

Quellen: welt.de / ignant
Fotos: Jermain Raffington / Clemens Poloczek / ILG