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INTERVIEW – Denk – Im Zeichen des Aufstands

Das DKO Interview “Im Zeichen des Aufstands” mit DENK aus Frankfurt über Graffiti und Politik, das Konzept: “Frankfurt bleibt sauber!”, Moses & Taps, die Frankfurter Graffitiszene, Grenzen, Trouble, Style und einiges mehr kann man sich hier durchlesen!

Ist Graff politisch?

Jedes Tag, jedes Piece ist ein politischer Akt und eine Form von politischer Performanz. Ich würde unterscheiden zwischen der Form und dem Inhalt. Von der Form her greift Graffiti in die Gesellschaft ein und widersetzt sich bekannten Normen und Gesetzen. Inhaltlich kann Graffiti einen explizit politischen Inhalt haben oder ‘nur’ den jeweiligen Namen pushen. Ich finde es gut, wenn so etwas wie die M31 Ubahn zum ‘Europäischen Aktionstag gegen Kapitalismus’ am 31. März gemalt wird. Wenn jemand Lust hat jede Woche eine S-Bahn „gegen Kapitalismus“, „gegen Homophobie“ oder „gegen Sexismus“ zu malen, dann würde ich mich freuen. Das ist aber nicht das Graffiti, was mich interessiert. Das wäre ja einfach Graffiti als Agit-Prop. Jean Baudrillard hat in den 1970ern den Aufsatz ‘Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen’ geschrieben. Die Hauptaussage dieses Textes ist ungefähr: es gibt so etwas wie einen politischen Diskurs, einen Diskurs, der von denjenigen geführt wird, die am urbanen Leben im Sinne kapitalistischer Codes ( was auch immer das sein mag – Werbung, Kleidung, ..) teilnehmen. Die Leute, die in den USA in den 1970er Jahren angefangen haben Graffiti zu machen, sind nicht Teil dieses Diskurses und sie können darin ihre Forderungen auch nicht wirklich artikulieren. Sie – die Sprayer_innen sind in dem Diskurs zunächst außen vor. Im urbanen Raum wird Graffiti eher durch seine Form ein politischer Akt. Der oder die anonyme Protagonist_in eignet sich die Stadt an, die übersäht von Werbung bzw. kapitalistischen ‘Codes’ ist, die immer auf eine spezifische Verwertbarkeit abzielen. Der Form nach lebt Graffitti gerade durch die illegale Aneignung des Raumes, wobei in dem Geschriebenen nicht zwangsläufig eine Botschaft präsent sein muss. Das Potential, dass sich daraus ableiten lässt, ist also eine Mischung aus dem Spiel mit dem illegalen Aneignen der Form dessen, was im urbanen Raum ohnehin präsent ist und die Nicht-Verwertbarkeit der Aussage, die hinter Grafitti stecken kann. Und wenn die Sprüher_innen z.B. auf eine Demonstration gehen oder irgendwo hinschreiben „gegen Diskriminierung“, dann begeben sie sich in den oben erwähnten Diskurs, in die Politik hinein und können dort aber wenig ausrichten. Und was er so bemerkenswert an Graffiti findet, ist, dass das Zeichen, das Tag, keine direkte politische Aussage vermittelt und deswegen nicht verhandelbar ist. Dadurch ist das Tag so radikal. Es ist ein Aufbegehren der Zeichen, das sich nicht zur Diskussion stellt. Und das finde ich an Graffiti interessant. Ich bin nicht über die Politik zu Graffiti gekommen und nicht über Graffiti zur Politik. Für mich war immer beides wichtig, aber eben meistens getrennt.


Das Konzept: “Frankfurt bleibt sauber!” bemühte sich vor einiger Zeit um Aufmerksamkeit – wäre die Antwort der Sprayerszene: “jetzt erst recht!” sinnvoll?

Für mich ist – wie gesagt – Graffiti nicht der Ort, an dem ich mich explizit politisch äußern will. Natürlich ist der Akt an sich immer politisch, es ist aber eben nicht mein Modus Politik zu machen. Wenn ich etwas gegen die Programme unternehmen wollen würde, wäre es meines Erachtens nicht die sinnvollste Art und Weise Wände voll zu schmieren. Dann würde ich mich eher in der Kommunalpolitik engagieren. Vom Hörensagen kenne ich eine Geschichte aus Kassel. Die ist auch schon ein paar Jährchen alt. In der lokalen SAV-Gruppe (Sozialistische Alternative Voran) waren ein paar Sprüher und Graffiti-Interessierte. Die haben eine politische Kampagne gegen die dortige Soko Graffiti gestartet und hatten letztlich auch Erfolg: Die Soko wurde (zumindest zeitweise) aufgelöst. So etwas könnte man auch gegen die “Frankfurt bleibt sauber!” Kampagne starten. Ich will mit Graffiti nicht politische Inhalte auf die Straße bringen und wenn, dann würden mich andere Themen eher reizen. Natürlich finde ich so ein Programm scheiße und wenn Leute was dagegen tun, dann find ich das gut, aber meins ist das nicht.Ich glaube, wenn alle jetzt anfangen, „gegen ein sauberes Frankfurt“ überall hinzusprühen, würde das eine Medienreaktion geben, aber ich glaube nicht, dass man so das Programm rückgängig machen könnte. Wenn man das weghaben will, muss man anders argumentieren und anders politisch agieren.

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Fotos: kollektive-offensive.blogspot