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SMALLTALK – Drow [DEUTSCH] 04/2013

Für unseren nächsten SMALLTALK haben wir uns mit Herrn DROW aus Berlin über Graffiti, das Internet, Bücher und Filme unterhalten können. Kurz und bündig, plus einen Stapel Fotos mit 50 Trains aus ganz Europa, enjoy

Im Vergleich zu vielen anderen mit denen wir schon gesprochen haben, bist Du eher ein Freund des Internets oder?

Ja warum nicht. Dank dem Internet interessieren sich viele Menschen für Graffiti, die damit vielleicht direkt nichts zu tun haben. Wisst ihr das ist wie beim Fußball. Da gibt es an den Stammtischen und TV Geräten ganz viele Menschen – die haben noch nie im Leben auf ein Tor geschossen. Diese Menschen oder auch Fans sind aber die Mega-Fussballexperten. Viele Fans haben auf jede Frage eine Antwort am Start. Ich denke, ohne diese Fans wäre Fussball so unspektakulär wie Handball.

Also auch ohne Graffiti-Fans kein Graffiti?

Ja. Also ich persönlich freue mich über jeden zB Facebook-Fan der mit Graffiti nichts zu tun hat. Denn die Menschen von außen halten die Sache in Bewegung. Diese Leute bringen denen, die was bewegen möchten neue Möglichkeiten!

Stichwort Geld, streetfiles.org geht ja zum 30.April vom Netz. Eigentlich ein guter Grund mal wieder ein zwei Bücher mehr ins Regal zu stellen oder?

Ja schon aber ich denke nicht dass wegen dem Ende von Streetfiles nur ein Buch oder Magazin mehr verkauft wird. Als die DVD “starb” ist auch nicht das gute alte VHS – Tape von den Toten wieder auferstanden. Die Ewig-Gestrigen sollten mal aufhören das Internet zu verteufeln und stattdessen der Realität ins Auge sehen.

Bücher werden immer eine Daseinsberechtigung haben aber die Macher der Bücher müssen sich im Jahr 2013 auf jeden Fall mehr überlegen als vor fünf Jahren um eine ernstzunehmende Auflage an den Mann zu bringen.

Hast Du Favoriten was Bücher oder Filme angeht?

Was Printprodukte angeht liefert zum Beispiel der Dokument Verlag aus Stockholm immer wieder richtig gute Sachen ab. An Filmen fällt mir jetzt spontan UNLIKE U ein. Das sind beides Beispiele sehr professioneller Arbeit mit guten Netzwerken und man merkt wieviel Herzblut drinsteckt.. Da wo es ums Geld geht und man den Kommerz spürt bleibt meistens die Leidenschaft auf der Strecke. Das ist dann auch in der Regel am fertigen Produkt zu sehen……

Dann doch eher ein Magazin als ein Buch kaufen oder siehst Du das Internet als ernstzunehmende Konkurenz zu Büchern und Magazinen?

Ja schon. Bei vielen Magazinen denke ich mir: Klolektüre kann ich besser und vor allem umsonst über mein Iphone konsumieren. Ich glaube, für die meisten Magazine wird auf lange Sicht keiner mehr sein Geld ausgeben. Außerdem sind einige Blogs vom redaktionellen Content her besser aufgestellt als der Grossteil an Magazinen Das ist leider die Realität. Einige wenige Magazinmacher gibt es ja, die einen guten Job abliefern. Der Rest sollte sich mittelfristig ein anderes Hobby suchen.

Was das Internet betrifft, verschaffe ich mir mein tägliches Entertainment beim Allcity Blog, den Grifters, auf Facebook, instagram, Flickr und natürlich bei Euch auf ilovegraffiti.de.

Du bist ja schon viele Jahre dabei, was hat sich eigentlich im Wesentlichen geändert von heute zu damals in den 80igern und 90igern?

Die einzige von Damals, also was bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, ist Barbara Uduwerella! Wäre Udu besonders in den 90igern nicht so verbissen gewesen hätte es niemals diese Grundsatzurteile zur Mehrfachbelegung von Namen in der Graffitiszene gegeben. Wie ein Pitbullterrier ist sie den Richtern in ganz Deutschland immer wieder auf die Eier gegangen, das fand ich stark.

Ansonsten interessiert das was du vor 20 Jahren gemacht hast in der Regel seit 19 Jahren keine Sau mehr. Es werden jede Nacht irgendwo auf der Welt geile Sachen rausgehauen. Deswegen scheisse ich auf Oldschool und Roots und Realness und den ganzen Kinderkram. Das was ich gerade mache sollte jetzt und heute und maximal morgen richtig fetzen. Für Übermorgen habe ich in der Regel bereits 10 neue gute Ideen am Start.

Wo besteht für Dich ein drastischer Unterschied zu früher und heute im Bezug auf Trainwriting?

Früher bewegte sich Trainwriting in der Regel zwischen der Outline, der Highline, der Inline und der Backline. dann kam natürlich noch das Fillin und der Hintergrund.. alles was in dieses Denkschema nicht reinpasste war wenig Real und damit meistens wenig cool.

Heute malt man mit Farbroller, Feuerlöscher, Fingerfarbe, Sprühdose und allem was geht. Viele der grossen Namen werden heute von mehreren Leuten gemalt – und es gibt grosse Leute die malen heute gar keine Namen mehr. Hauptsache es macht spass. Im Jahr 2013 sind sogar Trucks und Güterzüge cool, das alles wäre 1993 in den meisten Hip-Hop-Köpfen undenkbar gewesen.

Was Deinen Stil betrifft hat sich da in den letzten Jahren doch schon viel getan. Fühlst Du Dich von dem was auf Zügen gemalt wird in irgendeiner Form inspiriert? Bzw inspiriert Dich überhaupt irgendwas?

Alles was ich sehe inspiriert mich in irgendeiner Form. Mal ist es ein Werk aus der etablierten Kunstwelt, was mir so gut Gefällt, das ich es in meiner Arbeit neu interpretiere. Mal ist es das Layout einer Verpackung wo ich die Farben fresh finde. Mal ist es die klassische Typografie. Oder ich sehe was interessantes im Baumarkt – dann will ich meistens herausfinden ob es spass macht damit nachts eine Bahn umzustylen…


Du bist relativ viel unterwegs oder?

Grundsätzlich finde ich es erstrebenswerter mich dort aufzuhalten wo ein bisschen Farbe an einer Bahn nicht als ernsthaftes Problem angesehen wird. Wenn Du in Deutschland, Belgien und anderen europäischen Wohlstandsländern auf dem Bahnhof stehst und bemalte Trains fotografierst wirst du schräg angeschaut, als ob du ein schlimmer Mensch wärst. So etwas verursacht bei mir negative Energie – negative Energie brauche ich aber nicht, solange ich kreativ und erfolgreich sein will. In Serbien, Kroatien, in Italien oder in Russland zum Beispiel interessiert es die Leute entweder gar nicht, weil sie andere sorgen haben, oder sie finden es sogar cool.

Wie wichtig ist für dich die Vernetzung untereinander, auch auf Deinen Reisen?

Zum Bemalen von Bahnen völlig unwichtig! Wenn ich irgendwo was anmalen möchte fahre ich da einfach hin und male es an. Da brauche ich in den wenigsten Orten Leute die mir zeigen wie was geht. Wenn ich mit jemandem vor Ort etwas zusammen mache dann weil er mir besonders sympathisch ist – oder weil er zu meinem weitläufigen Freundeskreis gehört. In der Regel freue mich wenn wir zusammen eine schöne Zeit verbringen und gemeinsam das machen was uns Spass bringt.

Was hälst du von Fotografen im Bereich Trainwriting, findest du es interessant so etwas zu dokumentieren?

Ich freue mich immer wieder über solche Arbeiten. Nur leider ist oftmals die Arbeit der Fotografen um Welten besser als die Arbeiten der einzelnen Sprayer.

Wie wichtig ist für dich die Dokumentation der eigenen Arbeiten.

Naja, an mir selbst sehe ich es immer wieder: Du fährst irgendwo hin, die Vorarbeit, Abhauen und dDie Fotos danach. Da wird oft um ein vielfaches mehr Zeit und auch Geld in Bewegung gesetzt als für das eigentliche Malen. Die Dokumentation in jeder Form ist für mich mindestens 50 % des Ganzen – manchmal sogar mehr als das. Ich male oftmals sogar ganz gezielt für ein bestimmtes Foto an einer ganz bestimmten Stelle – das ich am Ende haben möchte.

Danke für den Smalltalk!

Fotos: Flickr, Google, Facebook, Streetfiles etc PP