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Street Messages von Nicholas Ganz

Mitte April erscheint über den Dokument-Verlag ein neues Buch des Fotografen und Autoren Nicholas Ganz. Der Bildband STREET MESSAGES dokumentiert auf mehr als 140 Seiten ausschliesslich auf den Strassen entstandene Texte, politischen Parolen und Gedichte. Nicholas Reise beginnt dabei vor mehr als 30.000 Jahren bei den Maya, verläuft durch die Zeit der alten Ägypter und reicht bis in die Gegenwart zu Künstlern wie BANKSY und ESCIF.

Nicholas aka. KEINOM ist im Ruhrgebiet aufgewachsen und hatte vor mehr als 10 Jahren das Buch GRAFFITI WORLD und kurze Zeit später das Buch GRAFFITI WOMEN heraus gebracht.

Wir sind stolz darauf Nicholas für ein kurzes Interview gewonnen zu haben und verlosen an dieser Stelle zusätzlich eine signierte Ausgabe von STREET MESSAGES. Bitte liked dazu die Facebook Seite des Buches, schickt uns eine Mail an: contact@ilovegraffiti.de und erklärt uns in zwei Zeilen was euch an dem Buch besonders interessiert.

Das Buch beim Dokument-Verlag
Das Buch auf AMAZON (vor)bestellen (Release: 15.4.2015)
Nicholas Webseite

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Hallo Nicholas! Ein neues Buch von dir steht kurz vor der Veröffentlichung. Worum geht´s?

Street Messages wird das erste Buch sein, was sich nur mit Texten, politischen Parolen und Gedichten im Graffiti beschäftigt. Diese Gattung wurde bislang noch nicht in einer Publikation gewürdigt. Eigentlich eine sehr vernachlässigte Form des Graffiti, obwohl sie eine der ursprünglichsten ist und viel auszudrücken und zu erzählen hat. Texte sind im Gegensatz zu Bildern sehr direkt. Ganze Geschichten und Biografien wurden bereits an Wände geschrieben.

Das Buch zeigt daneben einen historischen Abriss über die Geschichte des geschriebenen Wortes im öffentlichen Raum von den Glyphen der Maja und Ägypter, über antifaschistische Parolen während der Nazi-Zeit, hin zu modernen Graffiti Künstler_innen. In drei Kapiteln präsentiere ich einige der interessantesten Künstler_innen, die sich ausschließlich oder öfter mit Text beschäftigen.

Escif_.miami.2010

Zur Recherche warst du viel unterwegs, stimmt das? Wie lange hat die Vorbereitung für das Buch gedauert und wohin bist du genau gereist? Konntest du alle Ziele erfüllen, die du dir für das Buch gesteckt hattest?

Das Buch ist im Grunde schon seit 2003/2004 (wenn nicht sogar noch früher) entstanden, während ich in der ganzen Welt unterwegs war, um für meine Bücher Graffiti World und Graffiti Woman zu recherchieren und Bilder zu fotografieren. Ich habe neben großen bunten Wandbildern, Schablonen oder Postern immer Texte und Gedichte dokumentiert.

Meine ersten eigenen Graffiti, die ich auf Wände sprühte, bestanden auch aus Texten und Dead Kennedys Logos. Da ich bereits seit vielen Jahren Text-Graffiti fotografierte, haben ich viele Bilder aus Amerika, Europa und Asien in meinem Archiv angesammelt. Für das Buch bin ich dann noch extra in Europa herumgereist, sowie nach Ägypten und Mexiko, um das Buch mit ein paar aktuellen Arbeiten zu bereichern. Die Künstler_innen haben dann ihre eigenen Fotos zugeschickt, da sie ihre besten Arbeiten auswählen können und ich keine subjektive Kollektion erstelle. Ich möchte die Künstler_innen selbst zu Wort kommen lassen. Leider sind Bücher in ihrem Platz immer sehr begrenzt und daher kann auch Street Messages nur einen kleinen Einblick in das tatsächliche Geschehen geben.

Ich habe ungefähr ein Jahr an dem Buch gearbeitet, um Leute oder Projekte für das Buch zu finden und mit ihnen Interviews zu machen und meine Recherchen zu vertiefen. Ich bin eigentlich sehr zufrieden mit dem, was am Ende im Buch präsentiert wird. Ich freue mich vor allem, das fertig gedruckte Buch in den Händen halten zu können.

In der Ankündigung zum Buch steht, es enthalte Arbeiten von über 80 Künstlern, darunter Banksy, Dolk, Ben Eine, Faith 47, Kid Acne und Skki. Das sind nun alles bekannte und spannende Namen – gibt es auch bislang eher unbekannte Künstler und Arbeiten von denen du denkst, dass sie uns besonders überraschen werden?

Der Verlag hat natürlich bewusst diese Namen gewählt, um die Aufmerksamkeit auf das Buch zu lenken. Viele wissen, dass ein Name wie Banksy sofort das Interesse auf sich ziehen wird. Das hat rein markt- und verkaufsstrategische Gründe. Die genannten Leute sind aber auch eigentlich schon damit alle bekannten Namen, die das Buch zu bieten hat. Es sind aber auch unzählige Künstler_innen in dem Buch, von denen viele vermutlich nie etwas gehört haben. Es gibt also noch einige Überraschungen, die man erwarten kann.

Banksy - London - 2004 - 1

Auch steht in der Ankündigung, dass Menschen seit über 30.000 Jahren Nachrichten an öffentliche Plätze schreiben. Siehst du da einen direkten Zusammenhang zum klassischen Graffiti? Und in wie weit kann dein Buch vielleicht auch als wissenschaftliche Arbeit verstanden werden?

Für mich entstand Graffiti nicht erst seit dem Ende der 60’er Jahre, als die Leute in Europa und Amerika begannen, ihre Namen an Wände und Züge zu schreiben. Ich habe in dem Kloster in Bebenhausen bei Stuttgart die Namen von Schülern gesehen, die sie um das Jahr 1600 herum in die Mauern der Klosterschule ritzten. Im Karnak Tempel in Luxor habe ich Fotos von den Namen Reisender gemacht, die sich in den Säulen verewigten, als sie dort ankamen oder die Tempel besuchten. Das geschah alles lange bevor jemand seinen Namen mit einer Sprühdose an die Wand taggte.

Das Buch ist ein Bildband und keine wissenschaftliche Abhandlung. Ich schlage lediglich einen Bogen von historischen Arbeiten zu modernem Graffiti. Kunst im öffentlichen Raum und auch die ungefragt und illegal angebrachte Kunst im öffentlichen Raum ist keine Erfindung der Neuzeit und hat es immer schon gegeben. Das moderne Graffiti, daß es seit den 60’er Jahren gibt, hat das Schreiben des eigenen Namens an alle möglichen und unmöglichen Orte auf eine neue Stufe gehoben. Die Ausmasse, die Graffiti heute einnimmt, sind natürlich durch moderne Techniken wie die Sprühdose oder Drucktechniken um ein vielfaches gestiegen. Mit den modernen Kommunikationswerkzeugen wurde Graffiti ja auch nun in den fast letzten erdenklichen Winkel der Welt getragen. Diesmal präsentiere ich in Street Messages auch Künstler aus Bangladesch und Pakistan.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Du hast das Buch zu großen Teilen über Crowdfunding finanziert. Kannst du uns etwas über deine Erfahrungen mit dieser Art der Projekt-Finanzierung sagen?

Das Buch selbst habe ich nicht über Crowdfunding finanziert. Ich wollte in dem Buch gerne die klassischen, historischen Schriften im öffentlichen Raum aus Ägypten, Mexiko oder Pompeiji einbringen und dafür habe ich eine finanzielle Unterstützung benötigt. Verlage sind da ja sehr knauserig geworden. Daher habe ich eine Crowdfunding Kampagne ausprobiert und bin dabei recht weit gekommen. Ich konnte mit den Einnahmen einige Recherche-Reisen nach Mexiko, Ägypten und Pompeji finanzieren. Das ist für mich schon sehr unglaublich und ich bin sehr dankbar, diese Reisen machen zu dürfen. Aber solche Crowdfunding Kampagnen sind sehr zeitaufwendig und ich habe zu der Zeit noch nicht sonderlich über Facebook gearbeitet. Es ist eine sehr intensive Arbeit, die sich aber lohnen kann. Ich habe dadurch ein paar sehr tolle Menschen kennengelernt. Da mir durch die Kampagne Reisen in ferne Länder ermöglicht wurden, bin ich darüber sehr glücklich. Ich lerne sehr gerne neue Länder kennen und die Reise in die Vergangenheit, die ich mit der Kampagne finanziert habe, hat mich sehr inspiriert. Es war unglaublich für mich, die Tempel in Luxor zu besuchen oder die gigantischen Pyramiden der Maya zu sehen, von denen ich bislang nur in Büchern gelesen habe. Hier noch einmal mein herzlichster Dank an alle Unterstützer_innen der Kampagne.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Vor über 10 Jahren wurde dein Bestseller GRAFFITI WORLD verlegt. Dazwischen gab es noch GRAFFITI WOMEN und zwei Bücher zum Thema BURMA. Hat sich deine Sicht auf Graffiti in der Zeit verändert? Was ist deine persönliche Entwicklung zwischen deinen Publikationen?

In den letzten 10 Jahren hat sich eine Menge getan. Ich persönlich fand den ganzen Hype um Graffiti nach der Veröffentlichung von Graffiti World eher abtörnend und unpassend. Es gab nach dem Buch eine wahre Flut von Graffiti Büchern, die mehr oder weniger interessant waren. Auch hat sich irgendwie die gesamte gesellschaftliche Betrachtungsweise zu Graffiti etwas verändert und ich habe manchmal das Gefühl, ich sehe mehr legale Graffiti oder Graffiti auf Leinwand in irgendwelchen Galerien als illegale Arbeiten in der Straße oder auf Zügen.

Graffiti gehört für mich immer noch in die Straße und nicht in eine Galerie. Graffiti ist für mich eine anti-kapitalistische, anarchistische, illegale und komplett unkommerzielle Kultur. Ich selbst habe nach der Veröffentlichung von Graffiti World und Graffiti Woman eigentlich mehr in der Straße gemalt und kaum Anstrengungen unternommen, in eine Galerie zu gelangen. Das finde ich persönlich langweilig und hat wie gesagt nichts mit Graffiti zu tun.

Neben Graffiti habe ich noch viele andere Interessen. Ein paar davon habe ich durch meine Reisen nach Burma und Nepal verwirklicht. Irgendwie wollte ein Teil von mir Krisen- und Kriegsfotografie machen und so habe ich mich in den Flieger gesetzt. Ich war schon immer ein politischer Mensch und fand es spannend in die Bürgerkriegsgebiete von Burma zu gehen und dort das Leben der Freiheitskämpfer und der Flüchtlinge zu dokumentieren. Leider berichtet darüber niemand und gerade in Deutschland wird ein sehr falsches Bild dieses Landes gezeichnet, daß ich so nicht kennen gelernt habe. Dabei sind auch sogenannte “kritische” Journalisten und vor allem unsere Regierung Schuld daran, daß z.T. Lügen verbreitet oder diverse Fakten einfach weggelassen werden.

Mich interessiert es vor allem, diese Menschen so authentisch darzustellen, wie ich kann. Ich will keinen “journalistischen” Abstand zu ihnen haben, sondern mit ihnen fühlen und leben, um ihre Kultur so gut es eben geht zu verstehen. Nur so kann ich einen authentischen Blick durch meine Kamera behalten und die Wirklichkeit realitätsnah darstellen.

Diese Aufenthalte und das Erleben des Krieges haben mich persönlich sehr verändert und mir meinen eigenen Standpunkt klar gemacht. Ich habe viel gelernt und habe den Wert des Lebens schätzen gelernt.

Brett Cook - New York - 2005

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Interview: JUST. Book Cover: Arbeit von Canvaz aus Irland.
Alle Bilder von Nicholas Ganz ausser Escif (Remember, you aint doing it for the money).

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