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LIMBURG – Lehrer für das Übersprühen von Hakenkreuzen verurteilt

In Limburg (Lahn) erging vor einigen Tagen ein Gerichtsurteil, welches irgendwie so gar nicht in die sowieso schon unruhige Zeit passt. Der Vorgang ging in den letzten Monaten regelmäßig durch die Presse, erst ein Entscheidung vorm Amtsgericht, dann Revision, schliesslich bestätigt das Landgericht überraschend das Urteil. Was ist passiert?

Es geht um die beiden Zwillingsbrüder Reiner und Ralf Bender, beide 53, beide Grundschullehrer im Raum Limburg. Reiner Bender ist querschnittsgelähmt. Es geht um das Übersprühen von Hakenkreuzen und radikalen Graffiti. Es geht um Zivilcourage, die letztendlich bestraft wird. die TAZ hat ein kurzes aufklärendes Interview geführt, dabei wurde der querschnittsgelähmte Reiner Bender gefragt, was genau am 27. März 2013 passiert ist:

“Ich war in Limburg unterwegs und habe am Straßenrand eine Vielzahl antisemitischer und nazistischer Hetzschriften sowie Hakenkreuze bemerkt. Weil ich querschnittsgelähmt bin, kann ich aber nicht so leicht aus dem Auto aussteigen. Also habe ich meinen Bruder angerufen. Wir haben dies dann dem Ordnungsamt gefaxt und es gebeten, die menschenverachtenden Schmierereien zu entfernen. Leider ist daraufhin nichts passiert, also haben wir – nach zweieinhalb Wochen – beschlossen, die Hakenkreuze und Hetzschriften selbst wegzukratzen, und wo das nicht ging, zu übersprühen. Dabei hat uns die Polizei erwischt.”

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Mehrere Male hat der Lehrer den Missstand an die Stadt weiter getragen – telefonisch und per Fax. Doch monatelang blieb sein Anliegen unbeantwortet.

Jetzt soll er knapp 1000 Euro Schadenersatz zahlen, weil er Hakenkreuze und andere Nazi-Symbole übermalt hat. Eigentlich eine demokratische Notwehrmaßnahme – für die Stadt Limburg aber ein “ungeheuerlicher Vorgang”. Eine Richterin bedaure, dass beide Parteien die Chancen einer Verständigung nicht genutzt hätten.

„Ob es politisch klug ist, was die Stadt getan hat, hat das Gericht nicht zu entscheiden. Mit der nur schwer zu beseitigenden Graffiti-Farbe ist der Beklagte über das Ziel hinausgeschossen. Selbst unter dem Gesichtspunkt, in einer wehrhaften Demokratie gegen rassistische und nationalsozialistische Symbole tätig werden zu müssen, werde Sachbeschädigung nicht durch das Grundgesetz gedeckt.”

Das Gericht verurteilt Reiner Bender zu einer Geldstrafe, der Grundschullehrer wird von der TAZ gefragt wie man dieses Urteil seinen SchülerInnen erklärt:

“Das ist überhaupt nicht zu erklären. Es ist ein einziger Irrsinn. Die Stadt Limburg hat auf unseren Hinweis nicht reagiert und jetzt macht sie uns, die wir in Ersatzvornahme einer untätig gebliebenen Ordnungsbehörde die Nazischmierereien entfernt haben, zu Schuldigen, um eigenes Versagen nicht eingestehen zu müssen.”

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Welche Reaktionen haben Sie aus der Bevölkerung erfahren?

Viele Menschen unterstützen uns, einige haben uns sogar Geld gespendet. Aber es gibt eben auch einen Bodensatz, der sich durch das Urteil in seinem menschenverachtenden Handeln bestätigt fühlt. Irgendjemand hat dann auch kurz nach dem Amtsgerichtsurteil Hakenkreuze auf mein Auto gemalt. Die Polizei hat uns geraten, unser Bewegungsprofil ständig zu verändern und gewisse Sicherheitsvorkehrungen rund um unser Haus vorzunehmen.

Wenn Sie das nächste Mal an einem Hakenkreuz vorbeikommen, fahren Sie dann weiter?

Natürlich nicht. In der Zwischenzeit ist das auch schon häufiger vorgekommen: Zum Beispiel am Holocaust-Gedenktag des letzten Jahres. Wir haben ein Hakenkreuz dann eben mit einem Stück Papier überklebt. Wieder haben wir es sofort gemeldet, doch dauerte es einige Wochen und bedurfte des wiederholten Aufforderns, bis endlich das Hakenkreuz durch das Ordnungsamt der Stadt Limburg entfernt wurde.


Haben Sie das Gefühl, etwas verändert zu haben?


Ja das glaube ich schon. Wir jedenfalls konnten gar nicht anders handeln. Wir hätten uns sonst mitschuldig gemacht. Die antisemitischen und nazistischen Hetzschriften sowie die Hakenkreuze zu entfernen oder zu übersprühen war – wenn ich die Kanzlerin mal zitieren darf – alternativlos.

Interview: taz.de

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