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Naegeli wird 70

Harald Oskar Naegeli aka der Sprayer von Zürich wird am Freitag 70 Jahre alt. Skurrile Vergleiche mit Polanski wie in diesem Artikel des Hamburger Abendblatts werden wohl die nächsten Tage regelmäßig erscheinen. Von uns gibts ne kräftige Packung Respekt Herr Naegeli, auf die nächsten 70! Bytheway Zürich: BossDD war wieder unterwegs, Fotos auf 14K


Bilder auf Beton: „Sprayer von Zürich” wird 70

Artikel: Hamburger Abendblatt
Foto: sk.zh.ch

Haftbefehl, Verhaftung, Auslieferung, Gefängnis – und das alles wegen einiger Strichfiguren. Die Schweizer Justiz reagierte mit ganzer Härte auf Harald Naegeli, der Ende der 70er Jahre als „Sprayer von Zürich” berühmt geworden war.

Zürich. Er musste 1984 sechs Monate in einem Schweizer Gefängnis absitzen, weil er schwarze, filigrane Figuren auf öde Betonfassaden in Zürich gesprayt hatte – da halfen alle Appelle von Prominenten nicht. Der heute in Düsseldorf lebende Naegeli ist inzwischen längst als Künstler anerkannt und feiert am 4. Dezember seinen 70. Geburtstag.

Sei es eine Figur an einem Düsseldorfer Parkhaus oder seine typischen verträumt-zarten Striche an einigen Zürcher Wänden – Harald Naegeli ist in diesem Jahr wieder richtig aktiv. „Busy old man, respect“ (Aktiver alter Mann, Respekt) oder „echt ganz cool“ kommentiert die junge Graffiti-Szene die Schaffensfreude eines ihrer großen Vorbilder.

Von Respekt konnte 1977 keine Rede sein, als der 1939 geborene Sohn eines Arztes und einer Künstlerin anonym und über Nacht Wände in Zürich besprühte. Es war eine unruhige Zeit mit wilden Jugendprotesten und das bürgerliche Zürich reagierte wütend und setzt sogar eine Belohnung aus. „Ich, der Sprayer von Zürich“ teile mit, dass meine Spraybilder kulturgeschichtliche Bedeutung haben und die 192 Strafanzeigen vom schweizerischen Staat und Privaten nichts anderes sind als der Beleg einer geistigen Bankrotterklärung“, erklärte Naegeli.

Es gelang dem Graffiti-Künstler, unentdeckt mehrere hundert Zeichnungen an öffentliche und private Wände zu sprayen – bis er wegen eines Zufalls 1979 festgenommen wurde. Neun Monate Haft ohne Bewährung, rund 100000 Franken Geldstrafe – die Schweizer Justiz reagierte mit Härte und die Naegeli-Unterstützer kritisierten, hier werde ein Exempel statuiert. Naegeli entzog sich dem Gefängnis durch Flucht und kam schließlich nach Deutschland, wo er unter anderem Kontakt zu Joseph Beuys fand und als Künstler gewürdigt wurde.

Fast erinnert es etwas an die aktuellen Umstände im Fall Polanski, dass Naegeli, der bereits mehr als zwei Jahre in Deutschland lebte, 1983 nach seiner Rückkehr aus Dänemark plötzlich verhaftet wurde. Sogar einen Monat in einem deutschen Gefängnis musste er verbringen. Schließlich wurde Naegeli trotz aller Proteste von Künstlern und Politikern (Beuys, Willy Brandt) an die Schweiz ausgeliefert. Nach Verbüßung seiner Strafe kehrte Naegeli nach Düsseldorf zurück.

Zahlreiche Ausstellungen und Performance-Projekte haben seinen Ruf als Zeichner und Graffiti-Künstler begründet. In Zürich wurde 2004 eines seiner wenigen erhaltenen Graffiti aus den 70er Jahren konserviert und der ehemalige „Schmierer“ damit rehabilitiert. Inzwischen gibt es neue „Naegelis“ in der Schweizer Metropole zu bewundern – und die Justiz bleibt ruhig.