Smash137 im ausführlichen Interview über seine Verurteilung in Basel, Graffiti und Galerien, Stylewriting, Biting, Frauen, Inspiration und vieles mehr. (ENGLISH VERSION)
Smash, erstmal danke dass Du Dir Zeit genommen hast auch mal mit uns zu sprechen. Im Moment gibt es über Dich herum eine Menge zu sehen und zu lesen. Wir fangen aber auch erstmal mit den Basics an, seit wann malst Du eigentlich? Wann hat das angefangen und was diente Dir die letzten Jahre als Inspiration, in vielerlei Hinsicht.
Meinen ersten Wollekneul habe ich wahrscheinlich mit drei gemalt und die ersten Buchstaben dann 1990. Auf die Installationen von Barry McGee fahre ich voll ab. Mark Rothko kann ich mir stundenlang ansehen. Jede weisse Seite in meinem Skizzenbuch. Und das gute Gefühl, wenn eine Arbeit gelingt.
Beschreibe Dich, Smash137 mal in 10 Worten.
Meine Schriftzüge sind Selbstportraits von mir und meinem momentanen Lebensgefühl.
Um Deine Crew, die GTK, ist es ruhig geworden oder? Wir hatten hier vor Kurzem mal eine Website mit älterem Stuff drin. Gibt es GTK noch?
Ja schon. Bis auf DJ Ace, der sich ganz der Musik gewidmet hat, ist die ganze Bande wieder voll am Malen, als wäre nichts gewesen. 2009 hat sie alle wieder zurück gebracht. Aus meiner Sicht waren Feas und Rois immer die wahren Matadoren der Stadt. Als meine Mannschaft dann um 2005 von der Bildfläche verschwunden war, hatten sie nicht vielmehr in der Hand als einen abgebrannten Joint und einpaar verstopfte Caps. Jetzt da sie wieder zurück sind, haben sie alle ihr Leben auf der Reihe und soweit ich das auch beurteilen kann, sind sie immer noch besser als der Rest der Stadt. Aber überzeugt euch lieber selbst auf Stylekings
Bleiben wir bei den Crews, in den Kommentaren des ILG CanTwo Interviews gibt es derzeit eine Diskussion zum Thema Akkreditierung diverser Crews im Internet. TPA zum Beispiel kontaktiert desöfteren mal über MySpace. Wie stehst Du zu diesen globalen, ja eigentlich anonymen Crews, in denen es nicht selten vorkommt dass man sich nicht kennt sondern andere Werte im Vordergrund stehen. Und wie wichtig ist bzw war eine Crew für Dich als Writer?
Ich denke, dass Crews leider allgemein nicht mehr den selben Stellenwert haben, den sie einmal hatten. Meine Vorstellung von einer Crew ist fast schon romantisch, was wahrscheinlich auch der Grund ist, weshalb ich keine mehr schreibe. Die Leute von GTK bedeuten mir zwar nach wie vor viel, nur habe ich mich in den letzten 5 Jahren einfach daran gewöhnt, dass ich alleine am Seil ziehe. Dass Leute über MySpace akkreditiert werden und den Namen dann auch noch schreiben, übersteigt meine Vorstellungskraft, deshalb kann ich dazu nicht viel sagen.
Du kommst ja selbst aus der Schweiz, genauer Basel, Dare von der TWS auch. Eine ähnliche Frage hatte Dir Cren bereits im MTV Videointerview gestellt, hat Dich Dare damals inspiriert? Ihr seid ja beide schon Schlüsselfiguren der Baseler Graffitiszene.
Dare hat auf jeden Fall eine Rolle gespielt in meinem Leben als Writer. Heute wird es wohl keinem mehr als grosse Errungenschaft vorkommen, aber ich habe von niemandem sonst vorher Konzeptwände von solchem Kaliber gesehen. Obwohl bei uns die ganze Bahnlinie schon voll war, stachen die TWS Wände immer heraus. Da wurde die Wand erst gestrichen und das mit sauber abgestimmter Streichfarbe, die Schriftzüge hatten alle die selben Farben und wurden ausgewogen platziert, und zur Krönung wurden ein einheitlicher Hintergrund und Figurationen angebracht, welche die Bilder miteinander verbunden haben. Ja, Dare hat mich ohne es selber zu wissen gelehrt, wie man eine Wand optisch angeht. Ausserdem hat er seit ich denken kann interessante Writer aus dem Ausland nach Basel geholt, die uns jungen Malern eine Idee vom Style anderer Städte und Länder gaben bevor das Internet kam. Als ich dann später selber auf Reisen ging, war meine kleine Heimatstadt den angetroffenen Writern immer ein Begriff, da sie die Werke von Dare schon kannten.
Du bist mit dem Namen Smash137 im Februar 2009 in der Schweizer Presse gewesen und wurdest in Basel auch verurteilt, es ging um eine Verhandlung und wohl auch Verurteilung. Wie ist das möglich, ist es nicht so, dass Smash137 ausschliesslich legale Spots wählt? Wie gehst Du allgemein mit der Illegalität um?
Ich bemale sehr oft sogenannte Grauzonen, also Objekte, für die ich keine Bewilligung einstecken habe, die aber verlassen und vergessen worden sind und somit auch niemand zu einer Anzeige trägt. In dem von Dir angesprochenen Fall hatten meine Freunde und Helfer von der Polizei den Besitzer der Wand ausfindig gemacht, um ihm eine Anzeige gegen mich vorzuschlagen. Da es sich hier um die Bauverwaltung der Stadt Basel handelte, machten die mir den Prozess schon rein aus Prinzip. Wie sie selber meinten, stellvertretend für all die Sachbeschädigungen in der Stadt, für die sie eben niemanden belangen können. Ich gehe mit der Illegalität so um, dass ich zwar an all den Stellen male, an welchen ich meine Bilder gerne sehen möchte, aber ohne dabei jemanden zu verletzen oder anzugreifen, indem ich sein persönliches Eigentum verfremde. Ich verstehe meine Werke auch nicht als was Rebellisches oder als Auflehnung gegen eine Gesellschaft. Ich habe mich und mein Leben akzeptiert wie es ist und alles was ich jetzt will ist es leben.
Wie gehst du eigentlich damit um dass es deinen Namen mehrmals gibt? Smash gibt es auch in Holland und Berlin richtig? Wie stehst du zu Doppelbelegungen?
Eine Doppelbelegung wäre wirklich ziemlich störend, da du aber in jeder dritten Stadt einen Smash findest, hat sich das auch schon wieder von selbst relativiert.
Wo siehst du Dich im Moment? Bezeichnest Du das was Du machst und Deine Arbeiten immer noch als klassisches Graffiti? Es geht uns mit der Frage nicht um das Grundsätzliche, sondern eher darum, in welche Schublade Du Dich am ehesten stecken lassen würdest, wenn du denn müsstest?
Soweit ich mich selber beurteilen kann, würde ich mich in die Schublade des klassischen “Stylewriting” stecken. Auch wenn ich sehr viel ausprobiere und versuche, Barrieren in alle möglichen Richtungen zu drücken, stehen der Buchstabe und seine Form immer im Mittelpunkt.
Stichwort Stylewriting, was hältst Du von diversen Projekten wie dem “The Exchange” Projekt? Die Interpretation fremder Stile mit dem eigenen Stil, wie stehst du dazu?
Ich mag das Projekt und ich habe die erste Runde mit grossem Vergnügen mitverfolgt. Mit der zweiten Runde konnte ich dann leider nicht mehr viel anfangen, da aus meiner Sicht zu viele Typen dabei sind, die noch nichts oder zumindest noch nichts Eigenes vorzuweisen haben. Ich selbst könnte mir nicht vorstellen, bei dem Projekt mitzumachen, da ich keine Lust hätte, mit der Skizze von jemand anderem zu arbeiten. Ich denke, das kann man einwenig mit der Sendung “Frauentausch” auf RTL2 vergleichen: Unterhaltsam anzusehen, aber aus meiner Sicht völlig unpassend.
Du schneidest in Deinem Buch “Smash Proof” das Thema Biting an. Wir alle wissen, dass Du ein Writer bist, welcher inspiriert wie fast kein anderer und auch einen gewissen Trend gesetzt hat. Schauen wir nach Neuseeland zum Beispiel. Wie gehst Du damit um und was bezeichnest Du letztendlich als Biting? Wo ist die Grenze zwischen Inspiration und Originalität?
Was in Neuseeland passiert ist, gefällt mir auf jeden Fall nicht. Ich hatte es auch versucht zu stoppen, aber relativ erfolglos. Bis auf die Tatsache, dass die Neuseeländer jetzt denken, ich sei ein Hater und ihnen die Aufmerksamkeit nicht gönnen mag. Mir gefällt es im Prinzip schon, dass ich mit meinen Arbeiten Leute beeinflusse. Gleichzeitig bin ich aber auch des öfteren enttäuscht, dass eben viele nicht merken, wo etwas herkommt und es stattdessen einfach als momentanen Trend sehen. Inzwischen habe ich aber auch langsam verstanden, dass dieselben Leute generell sehr wenig Ahnung haben von dem, was in der Stilentwicklung passiert und sich für Graffiti mehr wegen der Aktion und der vielen schönen Farben und Geschichten interessieren. Biting ist für mich, wenn ich mir ein Bild ansehe und dabei an einen anderen Writer denken muss als an den, der es gemacht hat. Inspiration ist für mich, ein Bild von jemand anderem im Kopf zu haben, das man gerne erreichen will. Und Originalität ist schliesslich dem Writer, den man sich als Vorbild gesetzt hat, nicht einfach nachzulaufen, sondern seinen eigenen Weg sucht, um ans Ziel zu kommen.
Wie hast Du es denn versucht zu stoppen? Wie sieht das aus? Ich glaube dass jeder der sich die Bilder genau anschaut weiss wo die Inspiration herkommt. Schon aufgrund Deiner Präsenz in den Medien. Was da in Neuseeland passiert ist teilweise auch unserer Meinung nach sehr offensichtlich aber meinst Du nicht es hilft denen das Ganze in eine wiederum andere, weitere Richtung zu lenken? Schaut man auf Seen und den heutigen CanTwo Style, das Beste Beispiel einer perfekten Weiterentwicklung, obwohl Seen den Mainzer schon stark beeinflusst hat ist am Ende ein eigener Style herausgekommen.
Seit ich 2007 in Auckland war, habe ich den Leuten dort versucht mitzuteilen, dass es ihr Hauptziel sein muss, sich von meinen Formen wegzubewegen und ihren eigenen Stil zu finden. Das haben die auch zugegeben versucht, nur haben sie nicht an den Formen gearbeitet, sondern an der Technik und als die dann weit genug entwickelt war, haben sie angefangen, der Welt meinen Stil einfach anders verpackt als ihren eigenen zu verkaufen. Du darfst nicht vergessen, dass man meine Arbeiten vielleicht hier in Mitteleuropa kennt, aber in den Staaten zum Beispiel sieht das schon ganz anders aus. Ich habe vor Kurzem mit Rime darüber gesprochen und der scheint das zum Beispiel nicht zu sehen. Wie auch immer schien es eigentlich keinen zu interessieren, bis ich schlussendlich Askew die Freundschaft gekündigt habe und wenn ich mir gerade das neue Cover von der Stylefile #32 ansehe, dann habe ich zum ersten mal das Gefühl, es passiert was. Was Neuseeland angeht bin ich mir sicher, dass man da noch viel Positives hören und sehen wird und ich wünsche ihnen allen das Beste, nur das was war, war zu viel.
Bleiben wir mal beim Thema, beziehungsweise fast beim Thema. Es gab kürzlich wieder einige Diskussionen um die Hommage in Düsseldorf. Dort wurde ein über 20 Jahre altes Piece von Scale und Loomit “renoviert”. Auch Moses hatte dahingehend bereits polarisiert und alte Jepsy, Razor oder Chintz Panels re-interpretiert. Wie stehst Du dazu und wie würdest Du mit damit umgehen?
Die Düsseldorf Aktion halte ich für ein absolutes Gentlemanhandeln. Lustig fand ich nur, dass Loomit das vor 20 Jahren mit seinen Original Caps weitaus besser hingekriegt hat als die Jungs heute mit Level 1 bis 5 System. Auch die Idee von Moses halte ich für sehr unterhaltend. Er hat ja nicht versucht, hinterlistig zu klauen, sondern hat einfach ein Remix seiner persönlichen “Best of’s” gemacht. Solange ich selber noch aktiv bin, würde ich es wohl als eher unpassend empfinden. Sollte aber meine Zeit als aktiver Writer mal vorbei sein, würde ich mich bestimmt darüber freuen, dass man sich an mich erinnern will.
Also findest Du auch, dass Razors Antwort darauf damals überzogen war? Er hatte gemeint, für ihn wäre es ein Unterschied ob man in einer Hommage eins zu eins kopiert und so Respekt gezollt wird oder ob man das Fillin und Kreativität des Originals nutzt und einsetzt um das eigene Piece damit zu gestalten
Ja, da halte ich die Reaktion auch für überzogen, da egal wie ich es drehe, es ein Respekt zollen bleibt.
Du bist ja bekanntlich Teil des heute noch vierköpfigen Montana Writer Teams, darauf wollen wir natürlich auch kurz eingehen. Hat Dir das Team als Künstler, also als Writer etwas gebracht? Meinst Du, dass in derartigen Kooperationen in der Konstellation Marke/Künstler das Geben und Nehmen immer gegeben ist? Viele meinen ja, solch ein Sponsoring ist der Luxus pur, ist dem so?
Das Team hat mir schon sehr viel ermöglicht. Vieles davon hätte ich alleine niemals gemacht. Ich höre gerade in der letzten Zeit, dass das Geben und Nehmen nicht immer wirklich stimmt. In meinem Fall bin ich da aber sehr zufrieden, weil ich mit gutem Gewissen sagen kann, dass ich genau mit dem Produkt gesponsert werde, das ich mir auch kaufen würde, wenn ich nicht im Team wäre. Es ist auf jeden Fall immer noch Luxus, als Writer gesponsert zu werden. Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite. Der ewige Konkurrenzkampf zwischen den Dosenherstellern, in den man gezogen wird, ist eigentlich nichts, womit man als Writer zu tun haben will. Es ist inzwischen schon so dumm geworden, dass ich nur zu wissen brauche, wer den Event sponsert und darauf kann ich dir genau sagen, welche Writer dort malen werden.
Hat man da eigentlich Pflichten, steht man da wie ein Musiker unter Vertrag oder wie kann man sich das vorstellen?
Nein, mit einem Vertrag eines Musikers kann man das nicht vergleichen. Es gibt auch keine wirklichen Pflichten. Ich kann tun und lassen was ich will und jede “Montana Writer Team” Aktion wird im einzelnen besprochen. Natürlich würde das Sponsoring bald mal enden, wenn ich nur bei Montana Aktionen mit ihrem Produkt sprühen würde und sonst auf eine andere Marke zurückgreifen würde. Ich habe mit Montana schon so lange zu tun, dass unser Verhältnis auf Freundschaft basiert und genau nach solch einem Kodex verhalte ich mich auch.
Du malst ja öfter auf Jams. Auch mit dem Montana Writer Team zum Beispiel. Man kann dann immer mitverfolgen, wie die Kids kommen und Autogramme etc wollen. Ist Dir das unangenehm? Personenkult und Graffiti passen ja, zumindest in der Wurzel des Ganzen, eigentlich nicht zusammen.
Unangenehm ist es nicht, aber ich frage mich, was die Jungs mit dem ganzen signierten Zeug machen. In Moskau haben die mir selbst Geldscheine unter den Marker gehalten. Was aber deine Frage angeht, ist es mir auf jeden Fall viel lieber, wenn meine Bilder im Vordergrund stehen und nicht ich als Person.
Welche Musik läuft in Deinem Player wenn Du malst?
Fast ausschliesslich Rap und je neuer desto besser.
Du bist sehr aktiv, wen nicht sogar der aktivste Writer im aktuellen Galerie- und Ausstellungsgeschehen. Im Jahr 2009 konnte man Dich und Deine Arbeiten sehr oft anschauen. Du bist auch involviert in das aktuelle “Wash Me” Projekt von Mini. Jeder Writer hat Ziele, welches verfolgst Du mit deinen, diesen Aktivitäten? In kreativer wie auch persönlicher Hinsicht?
Also so richtige Ziele habe ich mir eigentlich keine gesetzt. Ich bin sehr glücklich mit dem was ich mache und da ich auch sehr intuitiv arbeite, bin ich selber ziemlich gespannt, wie mein nächster Schriftzug aussehen wird. Es würde mich sehr freuen, wenn ich etwas Nachhaltiges schaffen könnte. Seit ich denken kann, fiel es mir nie leicht damit klarzukommen, dass ich mal weg sein soll und der Gedanke, etwas zu hinterlassen, das die Menschen an einen erinnert, hilft da schon einwenig. Auf jeden Fall denke ich, dass da noch einige dicke Äpfel in der Baumkrone hängen und da will ich auch hin und die Dinger pflücken bevor sie faul zur Erde fallen.
Was wird 2010 kommen? Kannst Du uns etwas zu Deinen Plänen erzählen?
Ich will weniger Kaffee trinken und mehr Dehnübungen machen, da ich langsam etwas unbeweglicher werde.
Aha, aber nochmal dazu, du bist ja schon neben einigen anderen Pionier in Sachen Graffiti Art Ausstellungen, zumindest in Europa. Entwickelt sich das Deiner Meinung nach in die richtige Richtung? Worum geht es Dir unter diesem Aspekt, tatsächlich das Interesse an einem anderen Medium, einer Leinwand beispielsweise? Wo ordnest Du Dich und Deine Arbeiten ein? Kunst?
Also dazu muss ich dir gleich mal ganz ungeschminkt sagen, dass der Kunstmarkt ein Geschäft ist und unsere Buchstaben erhalten in diesem Geschäft noch lange keine Aufmerksamkeit. Viele “Streetart” Künstler nehmen daran Teil, aber wir ganz bestimmt nicht. Oder kennst du jemanden, der Buchstaben malt und im Kunstmarkt damit gehandelt wird? Jose Parla ist der einzige, der mir bekannt ist. Ich schätze seine Arbeiten sehr aber selbst bei ihm muss ich sagen, dass ich seine “Tags” nicht lesen kann und es daher auf mich eher wie eine abstrakte Malerei wirkt als “Stylewriting”. Was ich stark beobachten kann ist, dass sich wie bei allem was bis jetzt erfolgreich aus unserer Bewegung stammt, ein eigener Markt für “Stylewriting” entwickelt. Galerien werden von Leuten aus der Szene eröffnet und von Leuten aus der Szene und ihrem Umfeld besucht und unterstützt. Ob diese Richtung nun richtig oder falsch ist, traue ich mich nicht zu beurteilen. Mir selber war es immer ein sehr wichtiger Punkt, dass ich Menschen ausserhalb der Szene mit meinen Leinwandarbeiten erreiche, da die meisten von ihnen unsere Arbeiten im öffentlichen Raum einfach ausblenden, so wie wir es etwa mit Werbeplakaten machen. Was diese Entwicklung aber auf jeden Fall an Positivem mit sich bringt, ist die Sicherheit, dass wir nun mitentscheiden können, wer gezeigt werden soll und wer unsere Kultur schlussendlich repräsentieren darf. Ich sehe meine Arbeiten ohne den geringsten Zweifel als Kunst an, und das sage ich nicht, weil ich gerade Linien ziehen kann, sondern weil ich der festen Überzeugung bin, dass mein Tun und Schaffen mehr für unsere Zeit steht, in der wir leben als vieles andere, das momentan im Kunstmarkt gezeigt wird.
Du hast auch eine Weile in New York gelebt und kannst wohl sehr gut einschätzen wie es dort im Moment aussschaut, wie ist Deine Einschätzung, alles noch wie früher im Mekka?
Ich verneige mich vor New York und deren Writern, die mich jahrelang inspiriert haben. Das werde ich nie vergessen und ich bin mir auch durch und durch bewusst, wo alles herkommt, was ich jetzt habe. Was aber das New York von heute angeht, da habe ich keine Erwartungen mehr, die Stadt und die Writer machen sich das Leben so schwer, dass kein grosses Vorankommen in Sicht ist. Auch bin ich der Meinung, dass das Kapital eine solch grosse Rolle in der Stadt von New York spielt, dass kein inspirierender Writer mehr aus ihr hervorkommen kann. Denn alles geben macht für die Leute in dieser Stadt nur Sinn, wenn es am Ende auch Dollars in return gibt.
Von New York nach Moskau, da warst Du ja auch schon wie eben erwähnt. Was gibts darüber zu erzählen, wie schätzt Du die Szene dort ein und was hast Du erlebt?
Ich liebe Moskau, als ich 2005 das erste mal da war, wollte ich nur noch Weg, weil die aus meiner Sicht alle zusammen ein grosses Loch im Kopf hatten. Techno, Hooliganismus und Graffiti sind da zur selben Zeit populär geworden und der Mix, der daraus entstanden ist, war mir einfach zu fremd. Als ich dann 2009 wieder da war, habe ich die Stadt komplett anders erlebt. Die Moskauer Writer schienen sich selber gegenüber sehr kritisch geworden zu sein. Ich hatte den Eindruck, dass der Stil der Buchstaben nun im Mittelpunkt steht und dort allen zusammen klar ist, dass Moskau seinen eigenen Weg finden will, da man im Augenblick Europa noch sehr stark in ihren Arbeiten spürt. Die ersten Writer haben auch schon wirklich eigene Sachen vorzuweisen und ich bin mir ganz sicher, dass da noch viel mehr kommen wird. Denn man kann den Writern aus Moskau ganz bestimmt nicht vorwerfen, dass sie keine Leidenschaft für die Sache hätten.
Das sehen wir genauso, in Moskau hat sich die letzen 3 Jahre eine ganze Menge getan. Anderes Thema: Frauen und Graffiti sind eine schwierige Kombination, in vielerlei Hinsicht. Warum meinst Du gibt es so wenige weibliche Sprüher und gibt es Favoriten unter den wenigen aktiven welche erwähnenswert wären?
Es ist auch schwierig zu dem Thema was zu sagen, ohne damit jemandem auf die Füsse zu treten, aber bei den Frauen im Spiel fehlt es mir einfach sehr oft an Glaubwürdigkeit. Lass mich mal versuchen, es so zu erklären: Wenn ich einen persönlichen Brief erhalte, erkenne ich schon an der Handschrift der Adressierung, ob der Absender eine Frau oder ein Mann ist. Wenn ich mir aber einen Schriftzug an der Wand ansehe, kann ich das leider nur in den allerseltensten Fällen.
Bleiben wir beim weiblichen Geschlecht, du bist sicherlich auch schon in den Konflikt Frauen, Beziehung, Graffiti geraten oder? Dieser Graffiti Lifestyle ist nicht selten Grund für Störungen in Beziehungen, hast Du da eine Balance gefunden über all die Jahre? Bei der Aktivität eine berechtigte Frage
Nein, leider habe ich das nicht und um ehrlich zu sein, ich habe die Hoffnung auch schon längst aufgegeben.
Wir hatten im Dezember eine kleine Umfrage laufen, die besten Filme und Bücher der letzten Jahre, hast Du Favoriten unter den zahlreichen Veröffentlichungen?
Filme schaue ich mir praktisch nie an, da meine Internetverbindung sehr lahm ist. Was Bücher angeht, hat mir “Crack&Shine” sehr gefallen. Weniger wegen den Bildern, aber die geschriebenen Geschichten sind sehr interessant und geben einem eine Ahnung, wie das alte London mal gewesen sein muss. Mit den ganzen Buchveröffentlichungen von Fotografen kann ich leider nicht viel anfangen, bis auf “Backflashes” von Ruedione. Wahrscheinlich liegt es auch am persönlichen Bezug, den ich dazu habe, aber bei ihm frage ich mich oft, wenn ich mir die Fotos nach dem Shooting ansehe, ob ich wirklich am selben Ort war wie Ruedi, so heroisch und GothemCitymässig wie das bei ihm immer alles wirkt.
Vielen Dank für das Interview, anything to add?
Ich ziehe meinen Hut vor Eurer Arbeit, die ihr hier leistet. Es ist praktisch nicht mehr möglich, dass man graffitimässig mit was davon kommt, ohne dass ihr hier darüber berichtet.
Dankeschön!
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