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Ds snd Plln nd kne Plln

Mit dem Andrea Caputo Interview hatten wir eine Buchverlosung gestartet und nach der ein oder anderen Geschichte gefragt. Das erste All City Writers Buch ist raus hat sich auf den Weg gemacht. Die Story “Ds snd Plln nd kne Plln!!!” gibts unten. Zwei Bücher sind noch zu haben, also ran an die Tastatur…

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„Ds snd Plln nd kne Plln!!!“

Eines Abends, viele Jahre her, fragte mich mein damaliger Partner in Crime ob ich eventuell Lust hätte ihn an die Line zu begleiten. Obwohl ich keine Kannen vorrätig hatte willigte ich ein mit zu kommen. Draußen war es warm, die Nacht war klar und am nächsten Tag stand auch nichts Wichtiges an. Ziel waren frisch abgestellte Trasher in einem nun aufgelassenen Yard direkt an Wiens Stammlinie. Wenn schon Farbe an stationären Spots verschwenden, dann wenigstens an Altmetall, dachten wir und brachen zu gegebener Zeit auf. Obwohl zu diesem Zeitraum bereits drei andere Trasher dort standen die bereits längst von oben bis unten zugemalt waren, beschlossen wir, unerfahren wie wir zu diesem Zeitpunkt damals waren, kein Risiko ein zu gehen und die Aktion simpel und schnell hinter uns zu bringen. Mein Kollege sollte vor ziehen während ich mich ums Fill-In kümmern würde.

Ausgebufft wie wir uns damals wähnten machten wir uns auf den Weg zu jenem besagten Trasher der im Laufe desselben Tages dort abgestellt worden war. Peinlich achteten wir darauf auf die Bohlen zu steigen, keinen Lärm zu verursachen und Sichtachsen ein zu halten die uns nicht offen erkennbar zeigen sollten. Wir erwarteten jederzeit eine Falle, so wie ein Käsestück auf einer Mausefalle…

Nun, im nach hinein betrachtet muss ich milde lächeln wenn ich an diesen Abend zurück denke – Zwei vermummte Gestalten mit einem Vorhaben das uns sowieso nur 10 Minuten gekostet hätte spazieren vorsichtig durch ein aufgelassenes Yard, komplett verwachsen und ruhig, mitten im Herzen Wiens. Außer uns waren gerade mal noch Hasen und anderes Kleingetier anwesend – Es war förmlich Niemandsland, jedoch mit einem kleinen Pluspunkt: Das Objekt unserer Begierde lag sowohl an exponierter als auch prominenter Stelle.

Am Spot angekommen überzeugten wir uns dass die Waggons auch wirklich leer sind und setzten das Vorhaben in die Tat um als wir, circa bei der Halbzeit angekommen, sofort abbrachen und unter den Waggon abtauchten. Mein Kumpel hatte in der Ferne drei dunkle Gestalten erspäht die über die Gleise liefen. Alle drei in einer Reihe, vorsichtigen Schrittes und mit großen Rucksäcken umgehängt bewegten sie sich in unsere Richtung. Etwa 100 Meter von unserem Waggon entfernt bogen sie zur Seite und steuerten direkt auf eine Traverse voller Büsche, direkt gegenüber von dem Trasher zu. Unter dem Waggon kauernd berieten wir uns was wir machen sollten. Einerseits wirkte das Geschehen auf uns als würde sich hier eine Gruppe anderer Writer bereit machen das gleiche Vorhaben wie wir um zu setzen. Andererseits verstörte uns das sie sich offensichtlich keine Gedanken über ein unentdecktes Anschleichen machten. Eventuell waren das plump agierende Bahner die in einem Anfall von „Gerechtigkeitseifer“ auf Malerjagd gingen – inmitten von Büschen, jede verdächtige Tätigkeit abwartend!?

Die Drei standen halb versteckt in den Büschen und schienen sich zu beraten. Wir saßen unter dem Trasher fest, schmiegten uns neben den Rädern in das Schmierfett und anderen Schmutz.

Die Anspannung stieg…

Nach einer uns unendlich erscheinenden Zeit lösten sich die Schatten aus dem Busch und gingen schnurstracks auf unsere Position zu. Wir versicherten uns bis zum letzten Moment aus zu halten und die Situation ab zu warten. Diese Schattengestalten konnten uns unmöglich entdeckt haben!

Einmal am Trasher angekommen liefen sie alle Waggons auf und ab und schienen sich leise zu unterhalten. Wir wurden mit der Zeit immer unruhiger. In meinem Kopf schwirrten bereits irreale Gedankengänge herum – Was wenn die Polizei bereits die Schlinge um uns bereits enger zog? Und das alles wegen eines Trashers?

Irgendwann blieben drei Fußpaare direkt von uns stehen und wir starrten gebahnt auf ihre Sportschuhe – Würden sie uns nun hoch nehmen? Sie können uns doch unmöglich gesehen haben!

Während unsere sinistren Besucher offenbar die feuchte Farbe begutachteten und wir uns fühlten als würde ein Damokles-Schwert bedrohlich über uns schweben konnte ich ein paar Wortfetzen ihrer Unterhaltung aufschnappen. Aufgrund verschiedener Zufälle kann ich verhältnismäßig gut Polnisch, oder zumindest bin ich dazu fähig die wichtigsten Flüche und Redewendungen zu entschlüsseln. Derart eindeutig zuordenbar fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen – Bei den Dreien handelte es sich einfach um polnische Gastarbeiter die sogar zu arm waren sich in einer Substandard-Wohnung ein zu quartieren. Um ihr hart erarbeitetes Geld zu sparen suchten sie nach einer günstigeren Unterkunft und fanden sie ausgerechnet in diesem alten Trasher.

Während sich also unsere slawischen Freunde nichts ahnend unterhielten und mir die detektivische Klärung der Ereignisse gelang war mein Kumpel bereits am Ende seiner Nerven angelangt. Er war bereits jeden Moment aus der Deckung auf zu tauchen und wild Haken schlagend das Weite zu suchen. Um ihn von der möglichen Beendigung unseres Plans zu überzeugen (auf die Idee das ihn meine Erkenntnis beruhigen würde kam ich gar nicht) hauchte ich ihm förmlich Informationen zu: „Ds snd Plln!“

Er machte seine Augen weit auf und wurde kreidebleich. Da ich mir nicht sicher war ob er verstand fasste ich ihn am Arm und wiederholte meine Aussage: „Ds snd Plln!“

Wie von einer Tarantel gestochen schlüpfte er halb unter dem Waggon hervor und wollte sich von meinem Griff losreißen aber ich ließ ihn nicht los. Ich zog ihn wieder unter den Zug und fragte mich was wohl in ihn gefahren ist. Seinem komplett schockiert-verständnislosen Blick zu Folge schien er sich dasselbe von mir zu denken. Ich wiederholte eindringlich: „Kne Angs, Ds snd Plln!“.

Er zeigte mir dass er sofort los will, bloß weg von hier und das ich verrückt bin. Während ich ihn also weiter festhielt und ihn immer wieder zurück zog sobald er „auftauchen“ wollte, schienen die Polnischen Tramper nichts mit zu bekommen dass sich direkt vor ihren Füssen ein regelrechtes Drama epischer Ausmaße abspielte. Während ein Writer komplett die Nerven verlor und aufgrund unserer Lage seinen „Hemmschuh“ nicht anschreien konnte, lispelte ihm der andere immer wieder „Ds snd Plln“ ins Ohr und wunderte sich über dessen befremdliche Reaktion. Obwohl dieses köstliche Schauspiel vielleicht gerade einmal eine Minute andauerte kam es mir viel länger vor. Als die Gastarbeiter zwei Waggons weiter zogen und darin verschwanden stieß mich mein Kollege barsch weg und sagte diesmal deutlich: „Wenn das Bullen sind dann hau ich jetzt sicher ab…Mach du doch was du willst“

In diesem Moment begriff ich erst wie dumm das Ganze gelaufen war und musste mich hart zurückhalten nicht laut und hysterisch auf zu lachen.
Nun, nach eingehender Klärung unseres Kommunikationsproblems brachten wir dieses Missverständnis aus der Welt, beendeten unser Vorhaben und zogen, unbehelligt von den Polen, von dannen.

Der Trasher stand an dieser Stelle leider nur zwei Tage aber über diese Erinnerung lachen wir beide noch heute, auch wenn sich das Komische daran wohl nur den beteiligten Personen erschließt.