Archiv

Warum Graffiti-Sprühen glücklich macht

Farben der Freiheit: Warum Graffiti-Sprühen glücklich macht, ein DW Artikel mit Rocky und Axel aus Unna

Unna. Die Graffiti-Szene wird nicht überall gern gesehen. Das Bild schwankt zwischen Jugendkultur und Vandalismus. Die Deutsche Bahn rüstet auf, die Künstler kämpfen um Anerkennung.

Der eine spricht von gestalterischer Freiheit, der andere vom freien Leben. Axel Ketz und Rocky sprühen Graffiti – der eine legal an ausgewiesene Flächen, der andere illegal an Schallschutzwände oder Züge. Deshalb möchte Rocky seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen. Beide sprachen mit Volontärin Maike Rellecke über die Lust an der Sprühfarbe.

Warum sprüht ihr lieber Steinwände als Leinwände an?

Axel Ketz: Die Dimension ist viel spannender. Auf einer meterhohen Wand hat man mehr Freiraum, als auf einem DIN-A4-Blatt. Außerdem malt man auf einem Blatt für sich allein. Beim Sprühen gehe ich mit anderen zusammen los. Das macht mehr Spaß.

Rocky: Das Adrenalin ist der Unterschied. Wenn ich losgehe, habe ich immer die Angst im Hinterkopf, erwischt zu werden. Das hat was von Abenteuer. Das kann mir kein Sport geben. Außerdem sehe ich Graffiti als eigene Kunstform an. Die möchte ich mit meiner Arbeit voranbringen.

Viele sehen Graffiti als Vandalismus. Versteht ihr das?

Rocky: Klar verstehe ich das. Wenn jemand sich mit seinem Haus Mühe gibt und es gestaltet oder ein Gebäude unter Denkmalschutz steht, gehören da keine Graffiti hin.

Mir ist wichtig, zu sagen, dass ich nie sprühe, um etwas zu zerstören oder kaputt zu machen. Aber es gibt so viel Werbung, die mir einfach so ins Gesicht gedrückt wird. Da kämpfe ich für die Freiheit, meine Kunst zu verbreiten.

Axel: Ich sehe Graffiti auch als Kunstform, als Teil der Jugend- und HipHop-Kultur. Ich beobachte zurzeit aber eine Entwicklung, die ein schlechtes Licht auf uns wirft: Politische Tacs (Schriftzüge, Anmerk. d. Red.) häufen sich in Unna. Diese Schmierereien werden dann gleichgesetzt mit Graffiti, aber da steckt was ganz anderes dahinter. Die Graffiti-Szene ist unpolitisch.

Die Deutsche Bahn macht ihre Gebäude jetzt „sprüh-fest”. Was sagt ihr dazu?

Rocky: Das soll die Leute abschrecken. Aber den Zauberlack hat noch niemand erfunden. Mich stört das nicht. In den Gebäuden sprühe ich nicht – auf Züge schon.

Graffiti bestehen aus Schrift. Was schreibt ihr?

Axel: Graffiti ist sehr egobezogen. Die Herausforderung ist, den Künstlernamen – in meinem Fall ,Sony2′ – möglichst kreativ zu sprühen. Dabei geht es auch darum, den Namen weit zu streuen, damit ihn auch andere Sprüher wahrnehmen. Ich habe schon in Afrika gesprüht. In Ghana habe ich einen Mann auf der Straße angesprochen, ob ich seine Wand besprühen darf. Der hatte nichts dagegen und ich hab meine Dosen ausgepackt. Im November war ich in New York und habe dort an einer legalen Wand gesprüht. Damit habe ich mir einen Jugendtraum erfüllt.

Rocky, bist du eigentlich noch nie erwischt worden?

Rocky: Nie so richtig. Zweimal war die Polizei bei mir zuhause. Das war schon ein Schock. Aber eigentlich hatte ich bis jetzt immer Glück. Es macht mir auch nichts aus, wenn ich mal die Beine in die Hand nehmen muss. Das sind Aktionen, an die ich mich auch noch in zehn Jahren erinnern werde.

Mit dem Sprühen will ich natürlich auch provozieren. Das geht gegen diese ganzen Spießer, die mit ihrem Geld und ihrer Karriere angeben wollen. Wenn ich die morgens in der Stadt sehe, weiß ich: Der musste um zehn im Bett sein, um früh arbeiten zu gehen. Und ich war die ganze Nacht frei und hatte mein Abenteuer.

Axel, wenn du das so hörst, fehlt dir nicht was beim legalen Sprühen?

Axel: Nein. Ich bin bekannt und habe mir einen Namen gemacht. Ich werde ja auch viel für Auftragsarbeiten gebucht. Wenn ich für mich sprühe, fühle ich mich auch an legalen Wänden frei. Schließlich bestimme ich wo’s beim Graffiti lang geht: die Farben, die Formen. Das macht Spaß. Schade nur, dass auf solchen Wänden die Arbeit nur kurz zu sehen ist. Das ist das Blödestes am legalen Sprühen. Wenn man bedenkt, dass man hunderte Euro für den Lack ausgibt und dann bleibt nur ein Foto.