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Der Fassadendrucker

Eine Berliner Firma hat eine Maschine gebaut, die Hauswände bedrucken kann. Selbst die US-Airforce habe schon Interesse gezeigt, sagt Entwickler Michael Haas. Wir hatten bereits hier im November 2009 über das Projekt Fassadendrucker berichtet, es geht um die Erfindung eines neuen Druckmediums. Durch die Kombination eines ZweiAchs-Drehtisches mit einem modifizierten Paintball-Markierer ergeben sich formatlose Möglichkeiten riesige Fassaden, Fels oder jeden denkbaren anderen Untergrund zu bedrucken. Ein Tintenpunkt-Drucker im architektonischen Format. Das obige Foto soll eine Krabbenschere zeigen und gilt als einer der ersten Versuche mit einem Mehrfarbdruck. Das Foto zeigt den Druck als gerade begonnen wurde eine dichte Schicht von roten Farbkugeln aufzutragen. Zum Zeitpunkt des Endes waren jedoch alle blauen Farbpunkte bereits von der Wand absorbiert worden und somit nicht mehr sichtbar. Der gesamte Druck hat eine Grösse von 5 x 2,3m und benötigte in etwas 2.200 Farbbälle. Die Farben die verwendet wurden waren Cyan, Dunkelblau, Orange, Pink und Rot. Gedruckt wurde aus einem Abstand von etwa 5m.

Die TAZ hat sich mit den beiden Jungs vom Projekt unterhalten.


Herr Haas, Herr Fussenegger, Sie haben einen Fassadendrucker entwickelt, mit dem ganze Häuserwände bedruckt werden können. Die Streetart-Szene hasst Sie, oder? Streetart wandte sich im Ursprung gegen die Konsumgesellschaft und die Privatisierung von öffentlichen Räumen. Dank Ihres Drucks können Firmen ihre Logos großflächig in der Stadt platzieren. Sie treiben die Kommerzialisierung der Fassaden weiter voran.

Haas: Wir sehen uns nicht als Teil dieser Szene, Züge haben wir auch noch nie besprüht. Wir sind Grafikliebhaber und haben ein Tool erfunden, um Wände zu bedrucken. Dann haben wir eine Firma gegründet. Für die Szene ist das sicherlich ein Hassfaktor.

Martin Fussenegger: Wir bringen die Digitalisierung in die Straßenkunst. Ich sehe das eher als Bereicherung für den Streetart-Bereich. Außerdem ist die Szene bereits unglaublich kommerziell. Die Bilder werden doch teilweise für 20.000 Euro verkauft.

Ihr Drucker schießt Bilder mittels Farbkugeln an die Wand. Wie funktioniert das genau?

Fussenegger: Der Drucker besteht aus einem Drehtisch und einem Druckluft-Druckkopf. Nach digitaler Vorlage feuert er Farbkugeln auf die Wand, Punkt für Punkt schießt der Drucker das Motiv an die Wand. Die maximale Druckdistanz liegt bei zwölf, die maximale Höhe liegt bei acht Metern, die Breite bei zehn Metern. Die Farbe ist das A und O. Es ist wichtig, wie lange sie zum trocknen braucht und wie lange sie hält.

Mal ehrlich, wofür braucht die Welt diesen Drucker?

Haas: Der Fassadendrucker ist ein Kommunikationswerkzeug. Mit keiner anderen Maschine lassen sich Bilder aus Distanz an schwer zugänglichen Positionen anbringen. Das Ganze ist zudem ein Ereignis.

Könnte jede Firma mit einem Logodruck von Ihnen werben?

Fussenegger: Ganz sicher nicht. Wir haben den Entwicklungsprozess gerade abgeschlossen, jetzt denken wir über die Vermarktung nach. Wir würden natürlich auch lieber nur Kunstaktionen machen, aber die finanzieren uns nicht die Weiterentwicklung der Maschine und unserer Firma.

Wofür lässt sich so ein Fassadendrucker noch gebrauchen?

Haas: Wir haben ein Konzept erstellt, das den Drucker in Krisengebieten zum Einsatz bringen soll. In einem Katastrophenszenario soll er eine verlorene städtische Infrastruktur und Kommunikation wieder herstellen. Wasser- oder Sammelstellen könnten über großflächige Markierungen an Häusern signalisiert werden. Genauso könnten Pfeile und Icons zum Krankenhaus führen und den Menschen Orientierung zurückgeben. Der Drucker könnte gewissermaßen Leben retten.

Andersherum ist so ein Distanzdrucker auch spannend für das Militär. Es gibt längst Roboter in der Armee. Die Kampflinien in einer Stadt verschieben sich schnell. Mit dem Drucker könnte man genauso Gebäude und Kampfgebiete für Truppen markieren.

Fussenegger: Das schließen wir auf jeden Fall aus. Wir wollen den Drucker nicht an die Rüstungsindustrie geben.

Haas: Uns haben tatsächlich schon Leute von der US Air Force angesprochen. Der Drucker ist dafür nicht gedacht. Mit einem Küchenmesser kann man auch Radieschen schälen oder jemanden abstechen. Auch ein japanischer Unternehmer wollte mit uns Geschäfte machen. Er wollte mit uns eine Art Schussanlage für Banken bauen. Per Paintball sollten Bankräuber farbig markiert werden, damit sie auf der Straße leichter verfolgt werden können. Interessant, was die Leute in diesem Drucker sehen.

Gab es denn überhaupt schon Anfragen, die Ihnen genehm waren?

Haas: Eine Partei hat bereits angefragt, auch eine gemeinnützige Organisation. Ansonsten sehr viel Anfragen von Agenturen. Sehr viele Investoren haben sich bis jetzt gemeldet. Letztes Jahr haben wir für eine evangelisch-calvinistische Gemeinde einen Druck in Hamburg an eine Hauswand angebracht.

Wie viele dieser Geräte gibt es?

Fussenegger: Bisher gibt es nur einen. Den kann man auch nicht kaufen, sondern man mietet uns mit der Maschine.

Was kostet es, eine Hauswand von Ihnen bedrucken zu lassen?

Fussenegger: Wir denken noch über angemessene Preise nach. Der Preis variiert, je nach Größe, Fläche und den Kosten für die Paintballkugeln. Außerdem hängt es davon ab, ob der Druck kommerziell oder privat verwendet werden soll. Der Kunde bekommt dafür eine doppelte Werbewirkung. Nicht nur das Bild an der Wand, auch die Aktion des Druckens selbst zieht die Aufmerksamkeit der Passanten und Medien auf sich.

Interview: TAZ/LAURENCE THIO

Für diejenigen welche sich das Ganze mal live anschauen wollen und zufällig in Berlin sind bzw Zeit haben, morgen (28.04.2010) wird der Fassadendrucker an der Fassade der Wil­helm-​Lieb­knecht-​Bi­blio­thek am Kot­bus­ser Tor (Adal­bert­str. 2) eingesetzt. Mehr Infos auch auf der Projektwebsite