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Turmkunst Finale

Morgen, Samstag, 15.05.2010, wird das Turmkunst Projekt am und im Berliner Bierpinsel beendet. Wie schon zum Opening gibts wieder jede Menge Rahmenprogramm zur Finissage und der After Show Party. Mehr Informationen unten im Webflyer. Einen abschliessenden Artikel über das Projekt gibts vom heutigen Tagesspiegel. In diesem Sinne…schönes Wochenende


Artikel aus dem Tagesspiegel, 14.05.2010
Fotos: Just
Turmkunst: Website

Die Frau hat ihr Ziel erreicht: Am U-Bahnhof Schlossstraße steht eine Rentnergruppe und reckt die Hälse. Eine Passantin mit Imbisstüte macht vor dem Treppenturm des Steglitzer Wahrzeichens Halt und rüttelt an der feiertags verschlossenen Eingangstür. „Endlich nehmen die Menschen das Gebäude wieder wahr“, sagt Larissa Laternser, die junge Geschäftsführerin der Schlossturm GmbH. „Der Bierpinsel ist auferstanden.“

An diesem Sonnabend feiert Laternser die Vollendung ihres Projekts „Turmkunst 2010“. Zahlreiche Einladungen hat die 28-Jährige verschickt, DJs und Lichtinstallationskünstler engagiert. Sechs Wochen haben internationale Graffiti-Künstler die ursprünglich roten, längst verblassten Eternitplatten des Turmkopfes von einem Fassadenlift aus mit Sprühdosen bearbeitet, 2000 Stück verbraucht, um dem Riesen ein neues Gesicht zu verpassen. Drei Gesichter, um genau zu sein. „Masken“ heißt es auf der Internetseite www.turmkunst.de. Mit Teddyschnauze präsentiert sich der Bierpinsel den Anwohnern im Osten, etwas schmollig den Menschen im Süden, düster blickt er einem Totempfahl gleich Richtung Walther-Schreiber-Platz, also gen Norden. „Echt überwältigend, was die da rausgeholt haben“, sagt Laternser und hofft auf eine „Wahnsinns-Party“ am Sonnabend, ab 20 Uhr geht es los am und im Turm.

Zwei, die mit Sicherheit nicht dabei sein werden, sind Ursulina Schüler-Witte und ihr Mann Ralf. „Wir sind stinkesauer“, sagte die 77-Jährige dem Tagesspiegel. Das Architektenpaar habe sich, so sagen sie, von Anfang an gegen die Renovierungspläne gewehrt: „Wir haben Frau Laternser die Verunstaltung des Bauwerks ausdrücklich verboten.“ Als sie aus der Zeitung vom Fortgang des Projekts erfuhren, war es für eine einstweilige Verfügung zu spät. Nichtsdestotrotz wollen sie jetzt gerichtlich gegen die Schlossturm GmbH vorgehen.

Laternser stellt das anders dar. Sie sagt, anfänglich hätten die beiden ihre Zustimmung signalisiert. Das sei Quatsch, meint hingegen Schüler-Witte. Niemals habe sie eingewilligt, „diesen Klamauk“ zu veranstalten. Einmal seien sie beim Turm gewesen. „Der Anblick war so schockierend, dass wir uns kein zweites Mal hingetraut haben“. Neben dem Messegebäude ICC stellt der Bierpinsel eines ihrer wichtigsten Bauwerke dar. Jetzt sehe er aus wie diese beschmierten, besetzten Häuser. Kunstvoll könne sie daran nichts finden. „Die ganze Aktion ist doch ein einziger Werbegag für Fräulein Larissas Turmrestaurant.“ Im Gegenteil, sagt die Turmchefin, sie habe die Kunstlandschaft bereichern wollen. Über die Äußerungen der Architekten sei sie enttäuscht. Dass das Projekt polarisiert, finde sie aber gut: „Wenn Kunst nicht diskutiert wird, ist sie tot.“ Dass ihr Vorhaben im eher bürgerlichen Steglitz ein Stück weit provokant wirke, sei ihr wohl bewusst. Gerade diese Diskrepanz zwischen Stadtteil und Streetart mache das Projekt aber so reizvoll.

Tatsächlich reagieren viele Anwohner auf das neue Bild positiv. „Tolle Motive sind das“, meint Elisabeth Litschko, „ist mal was anderes“. Auch Adelheid Kösch, die die Entwicklung von ihrem Fenster aus verfolgen konnte, kann sich für den bunten Bierpinsel erwärmen: „Wirklich kreativ.“ Nina und Bernd Seger aus Zehlendorf lassen sich vor dem farbenfrohen Turm gleich mal fotografieren.

Im Herbst 2011 ist alles vorbei. Dann wird der Bierpinsel zurück in sein originäres Rot getaucht, eine dauerhafte Umwandlung haben die Behörden nicht genehmigt. „Schade“, sagt Uli Schmidt, der mit dem Bierpinsel großgeworden ist. „So sieht er viel freundlicher aus.“ Der 17-jährige Fabio von Coburg zuckt mit den Achseln: „Ist so oder so hässlich, das Ding.“