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Timo Stammberger – Galerie Raab Berlin

Der Fotograf Timo Stammberger stellt noch bis zum 5. November in der Berliner Galerie Raab, Fasanenstraße 72, Charlottenburg aus. Begleitend dazu gibts einen Tagesspiegel Artikel und Fotos nach dem Jump

In die Röhre geguckt
Tagesspiegel Artikel vom 29.09.2010
Mit der BVG in Berlin hat er gute Erfahrungen gemacht: Timo Stammberger fotografiert U-Bahn-Tunnel. Die Bilder stellt er jetzt aus.

Die U-Bahn-Tunnel sind erleuchtet oder düster, ihre Decken sind bedrückend flach oder gewölbt wie die von Kathedralen. Die Schienenstränge auf dem Grund führen ins Ungewisse. Es sind kraftvolle Fotos, die der Künstler Timo Stammberger im Untergrund von Berlin und Dortmund, New York und Philadelphia, Lissabon und Stockholm geschossen hat: Die menschenleeren „Underground Landscapes“ zeigen Abstellgleise, stille Zwischenräume – und stehen zugleich für Bewegung, für die Abzweigungen, die das Leben nehmen kann, für das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels.

„Commitment“, dieses englische Wort benutzt Timo Stammberger immer wieder beim Gespräch in der Galerie Raab, die seine Arbeiten zeigt. Commitment, das bedeutet Einsatz, Engagement, Hingabe. Seine Arbeiten sollen auch hierfür stehen – schließlich geht der 30-Jährige für seine Fotos an Orte, die nicht ganz einfach zu erreichen sind.

„Manchmal habe ich auch eine Genehmigung“, sagt Stammberger, das ist seine Sprachregelung. Besonders mit der BVG in Berlin habe er gute Erfahrungen gemacht. Und wie kommt er in die Tunnel, wenn er keine Genehmigung hat? Ach, sagt er, das sei doch uninteressant. „Das erfordert Commitment“, sagt er.

Bei Stammbergers offiziellen Fototouren gehen Bahnmitarbeiter mit, etwa von der BVG. Wenn der Künstler allein unterwegs ist, muss er selbst auf seine Sicherheit achten. „Es gibt nur zwei Faktoren, die mir gefährlich werden können: die Züge und die Stromschiene an den Gleisen.“ Beides sei leicht zu kontrollieren. Zweimal wurde er bisher von Zügen angehupt, ansonsten ist nie etwas passiert.

Stammberger wurde in Hamburg geboren und ist in Frankfurt am Main aufgewachsen. Nach dem Abitur probierte er verschiedene Studiengänge aus, brach immer wieder ab: „Ich war lange auf der Suche danach, was meine Passion ist“, sagt er. Zu dieser Zeit war er auch in der Graffiti-Szene unterwegs, fotografierte seine Werke – und irgendwann verschob sich sein Schwerpunkt, Stammberger fotografierte immer mehr, auch Landschaften und Schienen. 2004 zog er nach Berlin, zwei Jahre später begann er ein Studium an der Ostkreuz-Schule für Fotografie.

In den Tunneln arbeitet er unaufwendig. Ein Stativ, eine Kamera, eine Taschenlampe – mehr nicht. „Ich wähle die Orte so aus, dass das vorhandene Licht gut ist“, sagt er. Einige wenige Fotos – und er ist wieder weg, ein bisschen wie ein Graffiti-Künstler, nur dass Stammberger kein Bild hinterlässt. Sondern eines mitnimmt.

Stammberger fotografiert aber nicht nur Tunnel. Er hat auch Street-Art-Künstler porträtiert, etwa die Berliner Alias und El Bocho – schließlich gehe es auch in deren Arbeit um kompromissloses Engagement. Und in der neuen Ausstellung zeigt Stammberger nicht nur Tunnel aus Berlin und New York, sondern auch Porträts von New Yorker Passanten – seit fünf Jahren ist er regelmäßig dort, „um das Großstadtgefühl zu haben“. In Berlin sei es ruhiger, weniger anonym. Dort sei der Druck größer: „Einmal im Jahr brauche ich diese Craziness.“

Und nach der Ausstellung? Mehr Porträts fotografieren, mehr urbanes Leben. Und mehr Tunnel, in Paris, Rom, Moskau: „Da sind noch ein paar Städte offen“, sagt Stammberger.