DARCO © adagp, Darco FBI, Paris
Darco, wie geht´s Dir?
Mir geht es gut. Ich hoffe Euch auch?
Ja danke uns auch! Du bist Deutscher, aber in Paris aufgewachsen, stimmt das?
Genau. Ich bin in Deutschland geboren und als Kind, mit meinen Eltern nach Paris gezogen. Ich habe dort die Deutsche Schule Paris besucht, weil ich kein Französisch konnte.
Kannst Du Dich noch erinnern wie das damals bei Dir angefangen hat mit Graffiti, es gibt ja die verschiedensten Einstiege, wie bzw warum hast Du angefangen?
Ich habe schon immer gemalt und gezeichnet. Das ist so meine Ausdrucksform. Bei Comics habe ich mich speziell für die Grafik, wie das Layout und die Onomatopöien, interessiert. So Anfang der 80er Jahre habe ich dann mit Kollegen angefangen in der Straße zu malen. Zunächst mit Markern und Schablonen, was in Paris so gerade im Trend war. Heute würde man das Street Art nennen. Schließlich bin ich dann über Hip Hop zum Graffiti Writing gekommen. Habe zunächst nur gezeichnet und auf der Straße, meist mit Markern, erst einmal nur ein paar Charakters hingekritzelt. Nebenbei habe ich in irgendwelchen Kellern, Klos und Parkhäusern geübt mit der Sprühdose frei zu malen. Schließlich haben wir, mit ein paar Freunden, angefangen Pieces auf der Straße und an der Line zu sprühen. Das hat mir so gefallen, daß ich das immer weiter getan habe. Erst viel später haben wir andere Writer hier in Paris getroffen.
Man sagt, Du bist der erster Sprayer in der Geschichte Frankreichs, der zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, diese aber am Ende nicht antreten musstest, stimmt die Geschichte? Wenn ja was ist da passiert?
Ja das stimmt wohl so. Die Stadt Paris und Umgebung, war in den 80ern, mit Tags übersät und der französische Staat und die SNCF (Französische Bahn) wollte ein Example statuieren. Ich wurde verraten und als erster Writer angezeigt. Zuerst war die Strafe dreieinhalb Monate Gefängnis und eine sehr hohe Geldstrafe. Ich kam dann auch in Kontakt mit Journalisten, Politikern und vor allem, der Direktion der SNCF. Durch ihre Einsätze, wurde die Strafe auf ein Minimumbetrag, Rechtskosten und Arbeitsstunden herabgesetzt und danach nochmals vom Äquivalent des Deutschen Bundesgerichtshof bestätigt.
Ich durfte dann als erstes einmal Züge schrubben. Die Bahn wollte schließlich daß ich während meiner Arbeitstunden in einem Bahnhof Wände bemale. Das Malen selbst war zwar schwierig, die Bilder jedoch haben im Nachhinein vielen Bahnhofsleitern gefallen. Daher konnte ich meine Stunden abarbeiten, indem ich noch weitere Wände gestaltete. Da es aber immer mehr Bahnhofsdirektoren gab, die auch Bilder haben wollten, wurde mir vorgeschlagen immer mehr Wandbilder zu machen. Damit konnte ich einen Großteil meiner Schulden abarbeiten und einige Bilder an der Line, oder auf Zügen malen. Eigentlich bin ich zum Malen verurteilt worden, weil ich geschmiert hatte. Jedenfalls hatte ich Glück im Unglück auch wenn es wirklich nicht angenehm war.
“eFBIaï” für die SNCF 1990 Aulnay sous Bois © adagp, Darco FBI, Paris
Du hast sehr früh, ich glaube 1985, die “FBI-Crew” gegründet. Wie kam es zu der doch sehr unterschiedlichen Formation? Und was war das damals: in einer Crew zusammen malen?
FBI ist 1985 mit Gawki, einem Klassenkamerad, welcher in dem selben Ort wie ich wohnte, gegründet worden. Wir waren zunächst in einer Breakdancecrew und einige unserer Kameraden haben auch hin und wieder beim Sprühen mitgemacht. Wir wollten aber eine reine Writercrew sein und trafen auf Skale und Croy2, die auch aus unserer Gegend stammten und die selben Interessen wie wir hatten. Etwas später trafen wir dann auch andere Sprüher und Hiphopper. Erst natürlich in Frankreich, später aber auch aus Deutschland und anderen Ländern. Die ersten waren beispielsweise Cora E, die TFC aus Gießen, Katmandoo und Loomit, die auch ab und zu nach Paris kamen.
Wir sind dann auch viel herumgereist, was damals in Frankreich nicht wirklich üblich war. Dabei trafen wir zum Beispiel Leute wie Cemnoz, Neon, Shark, Chintz, Zaza, Krelle und Torch. Später auch Magic, Skena, Storm, Swift, Zebster, Can2, Won, Cowboy 69, Cheech, Dare, Bomber, Snek aka Kent, Amok, Odem, Rough, Soloone, Henry Chalfant, J. Prigoff, Seen, Zoom, A-one, Koor und viele mehr. Ein paar von den Writern, welche man regelmäßiger sah, haben wir dann auch in die FBI-crew aufgenommen und teils auch umgekehrt.
Wir trafen uns oft irgendwo zum Malen und haben uns ausgetauscht, zusammen an Techniken und Style herumgefeilt und immer größere und besser, ja durchdachte Bilder gemacht. Wichtig war uns auch große Konzeptwände zu gestalten. Das gab es zu der Zeit eigentlich fast gar nicht. Meist hatten wir zusammen ein sehr positives “Battlefeeling”, welches immer für guten Ansporn gesorgt hat. So haben wir über die Jahre dann auch sehr viele andere Leute kennengelernt. Einige sind jetzt noch in der Crew, wie zum Beispiel Daim, Shime, Mistery oder Dash TFC.
1987 – FBI Crew in München (vlnr. Darco, Gawki, Skale) © adagp, Darco FBI, Paris
Habt ihr alle heute auch noch regelmäßig Kontakt innerhalb der Crew?
Einige mehr, Andere weniger, aber man weiss von Jedem, was er so macht. Man kommuniziert regelmäßig und sieht sich hin und wieder auch. Wir haben ja sehr prägende Momente zusammen erlebt. Ich sehe heute noch die meisten und produziere immer noch mit denen zusammen irgendwelche Projekte wenn es möglich ist.
Du zählst heute zur Avantgarde der europäischen Stylewriting Bewegung, innerhalb der Graffiti Szene. Hat das für Dich eine Bedeutung?
Danke! Ich freue mich natürlich über solch einen “Titel”. Ja natürlich hat das für mich eine Bedeutung. Die Story ist jedoch noch lange nicht zu Ende und ich arbeite weiter. Es fängt gerade erst richtig an.
Wie kam es zu einer solch intensiven Auseinandersetzung mit den Buchstaben. Und an welchem Punkt bist Du heute innerhalb dieser Entwicklung?
Graffiti Writing ist die Kunst seinen Namen zu schreiben. Also liegen Buchstaben im Mittelpunkt dieser Kunstform. Wie gesagt, ich fand dieses grafisch-konstruierende schon immer interessant. Sowohl bei Comics, als auch bei Geometrie oder der Architektur. Die bildlichen Elemente, wie Characters oder Illustrationen, versteht man auf den ersten Blick und dienen eigentlich nur zur Dekoration. Ich finde man hat meist von den Nicht-figurativen Bildern mehr und kann länger draufschauen. Farben und Muster schmücken das Ganze und eignen sich zur Verschönerung.
Das Fundament der Werke ist die Struktur der Outline, die dem gesamten Bild einen gewissen Halt gibt. Das gilt natürlich auch bei “3D-Bildern”, selbst wenn es hier oft keine Outline, also keine sichtbare, klar trennende Linie gibt. Heute unterteile ich meine Arbeiten in die drei “Kategorien” des Writings, noch bewuster als zuvor. Die Tags, kunstfoll gestalltete Unterschriften, ist die Kalligraphie, als Handschrift. Die Pieces, eigentlich der typographische Teil des Writings, welcher auch der Ausgereifteste ist. Ein eternelles experimentieren mit Formen und Konstruktionen. Als Letztes stelle ich dazwischen das Throw-up, das spielerische Zwischenstück der Beiden ersten. Vor Allem geht es mir hauptsächlich immer um Flow, Dynamik, Rythmus, Schwung, Style und Gleichgewicht. Weiterhin ist mir die Bewegung wichtig, die man beim Malen haben muss, das ist fast wie eine Choreographie.
DARCO 2003: Palais de Tokyo – Paris © adagp, Darco FBI, Paris
Ist Stylewriting heute noch maßgeblich bezogen auf Deine Kunst? Wo siehst Du Dich innerhalb der zeitgenössischen Kunst?
Natürlich spielt Stylewriting in meiner Kunst eine wichtige Rolle. Genauso wie in der Kunstgeschichte und im Kunstmarkt. Ich finde Stylewriting ist das Fundament für das heutige Interesse der Street Art Sammler. Stylewriting ist eine der wichtigsten und ausgearbeitesten Graffiti-Kunstformen. Viele “gewöhnliche” Künstler, Illustratoren oder Grafiker bekennen sich, oder steigen sogar heute auf Steetart um. Es bleibt jedoch, durch seine Komplexität, für einen Nicht-inizierten, schwer zu verstehen. Einfach weil es seinen eigenen Kodex, seine Schwerpunkte und den gewissen Jargon besitzt.
Streetart hingegen beinhaltet natürlich Stylewriting, beziehungsweise oft nur eine vereinfachte Form oder Teile davon. Aber auch ältere Formen von Graffiti, wie zum Beispiel Schablonen, Parolen, freie Zeichnungen oder Plakate. Darüber hinaus werden heute teils auch herkömmlichere Kunstformen wie Abstrakte Malerei, Installation, Informelle Kunst, Lichtkunst, Illustration, Grafik, Cartoon, Neoexpressionismus oder Popart in diese neue Benennung mit einbezogen. Es ist schon fast möglich den Begriff “Zeitgenössische Kunst” der “Street-Art” gleichzustellen.
DARCO und Cemnoz über die Ursprünge der Streetart
Ist Dir bei einer Ausstellung wichtig, dass Deine Biografie immer mit kommuniziert wird? Sprich Deine Wurzeln und wo Deine ersten kreativen Schritte gemacht wurden?
Bei Ausstellungen ist es wichtig, daß sich die Leute auch über den Künstler ein Minimum erkundigen können wenn sie ihn nicht gut kennen. Ich stehe gern zu meinen Wurzeln, auch wenn es oft mit einem negativen Image in Verbindung gesetzt wird. Ich finde es auch wichtig darüber zu kommunizieren. Das hat für mich einen sehr hohen didaktischen Wert.
Wie siehst Du persönlich die Entwicklung heute, schaust Du noch auf das was in den europäischen Metropolen passiert, in Bezug auf Graffiti und Street Art?
Mittlerweile ist es eine globale Kultur. Womöglich ist Graffiti-Writing die größte kulturelle Bewegung aller Zeiten. Alles kann man sich ja nicht anschauen, aber ich halte meine Augen permanent weit offen. Natürlich liegt da der Schwerpunkt auch bei Stylewriting und das über alle Grenzen hinaus.
Clarins Eau Dynamisante 2012 – Paris © adagp, Darco FBI, Paris
Wir sehen aktuell sehr viele erfolgreiche Graffitikünstler, die den Schritt von der Straße über das Atelier in die Galerien schaffen. ist das ein Trend oder ein ernstzunehmender Schritt dieser Kunstform?
Mit zu den ersten Bildern die damals zu sehen waren gehörten viele Leinwandarbeiten von den New Yorkern. Ich meine eigentlich gehört das alles irgendwie zusammen. Sketches, Bombing, Trains, Lines, Hall of Fame, Aufträge, Leinwände und so weiter, alles ist Graffiti-writing und oft von den selben Writern gemacht. Ich persönlich mache dabei keinen Unterschied. Manchmal interessiert sich der Kunstmarkt dafür, wie in den 80ern oder wie jetzt. Die gegenwärtige Kunst gehört im Moment zu den interesantesten Bereichen des Kunstmarkts und Graffiti-writing gehört einfach mit dazu.
Wie wichtig ist Dir das Medium Spraydose heute eigentlich noch?
Dosen und Marker sind nach wie vor meine Lieblingsutensilien, auch wenn ich andere Dinge ausprobiere oder regelmäßig benutze. Das Zeichnen habe ich mit Stiften und Pinseln angefangen, Aerogrph, Pistole, Rolle und so weiter habe ich erst später benutzt. Die Sprühdose ist jedoch der moderne Pinsel, meine ich.
Wie schaut Dein Resumee auf das Jahr 2014 aus? Und was kommt 2015?
Einige Ausstellungen, Livepaintings, Zusammenarbeit mit verschiedenen Marken oder mit Kunstsammlern sind auch in 2015 vorprogrammiert. So watch out..
Vielen Dank für das Interview!
Ich danke Euch. Peace!
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Interview: ILOVEGRAFFITI.DE
Fotos: © adagp, Darco FBI, Paris