Am letzten Dienstag, dem 17.2., lud das Vandal Café zur Diskussion ins Urban Spree in Berlin ein. Thema der bisher 9. Ausgabe waren Murals. Murals als Kunstform und deren aktuelle Rolle als “Stadtaufwertung”. Subtext der Veranstaltung: “Ist das Graffiti oder kann das weg?!”. Ausgehend von den aktuellen Ereignissen eines Blu, der seine weltweit bekannten Wandbilder übermalte, um ein Statement gegen den Ausverkauf der Stadt zu setzen, war das Thema des Vandal Cafes mehr als brisant- auch für die geladenen Disskussionsgäste.
Diesmal mit dabei, auf dem Podium: Stéphane Bauer (Leiter des Kunstraumes Bethanien in Kreuzberg), Lake Oner (Urgestein unter den Mural-Malern), Steffen Kuschkow (Mitarbeiter der Agentur Graco) und Innerfields.
Als ich ankomme, laufen laute Heizstrahler im hinteren Bühnenraum des Urban Spree. Offiziell läuft das Vandal Café schon seit 15 Minuten, inoffiziell ist es wie mit jeder Veranstaltung dieser Art in Berlin, man steht noch an der Bar, quatscht, raucht, trinkt Bier, akademisches Viertel eben.
Irgendwann geht es dann aber doch los, es haben sich bestimmt 30 Leute versammelt, angefangen wird mit der Geschichte der Murals, dazu haben die Organisatoren eine PowerPoint-Präsentation vorbereitet. Es geht um erste Werke der Muralismo vom Mexikaner Diego Rivera, ein Mural-Superstar seiner Zeit, bishinzu den ersten Wandbildern in den 70ern in Berlin. Daran angeschlossen die Frage: Gibt es überhaupt noch interessante Wandbilder heutzutage?
Gute Frage, denke ich, komme aber nicht wirklich zu einer Antwort.
Es wird der erste Gast vorgestellt, der schon dabei war, weiter auszuholen. Steffen Kuschkow von der Agentur Graco aus Berlin- der Agentur, die unteranderem für einige Nike-Werbungen in Berlin verantwortlich war.
Er spricht von seiner Arbeit und von Wandbildern als Fassadenaufwertung und spricht auch von Murals in der Werbung. Es gibt direkt Konter von Stéphane Bauer, der auf die Nike-Wandbilder eingeht. Wandbilder als Werbeflächen. Für Nike, für Fanta, für viele große Konzerne ist Streetart mittlerweile zum Medium geworden, um breitere Massen an potenziellen Kunden anzusprechen.
Man ist sich einig, zwischen Murals als Kunstform und Murals als Werbeträgern muss unterschieden werden. auch wenn die Grenzen Teilweise verschwimmen.
So hatte Fanta in ihrer Kampange “Deutschland braucht mehr Fantasie” 2014 beispielsweise verschiedene Urban Artists und Gestalter dazu aufgerufen, Entwürfe für die neue Werbung einzureichen. Allerdings waren die Fanta-Wanbilder nicht direkt als Werbung zu erkennen, da jeweils für einige Tage nur ein “Deutschland braucht mehr Fantasie”-Roller-Rooftop zu sehen war, ohne Kennzeichnung des Brands, das dort für sich wirbt. So sollte der Eindruck entstehen, es handle sich aussschließlich um Streetart. Bis dann im Nachhinein die Murals mit der Werbung dazukamen.
Ganz schön gerissen, diese Konzerne, denke ich. Aber kann man es als Mural-Maler mit seinem Gewissen vereinbaren, Aufträge für große Firmen dieser Art zu malen?
Da scheiden sich vermutlich die Geister. Lake Oner jedenfalls sagt: “Prostituieren tun wir uns im Leben alle auf unterschiedliche Arten und Weisen, aber wie sehr, das kann jeder für sich bestimmen.”, er selbst malt schon seit 1992 Graffiti und ist seit 1996 auch freischaffender Künstler. Er lehnt bis heute viele Aufträge großer Firmen ab.
Über die Runden kommt er trotzdem, und ruhiger schlafen kann er wahrscheinlich auch.
So richtig kann die gestellte Frage jedoch keiner beantworten. Gibt es denn jetzt noch interessante Murals, ohne Hintergedanken und ohne dass immer viel Geld mit im Spiel ist?
Es wird das neue Wandbild des Künstlerduos JBAK vorgestellt, die 2014 eine Ausschreibung der Berliner Hausverwaltung HOWOGE gewonnen haben und daraufhin einen 11-geschössigen Plattenbau bemalt haben. Das Projekt war mit 60.000 Euro finanziert, also auch keine wirklich unkommerziell Aktion.
Der Applaus aus dem Publikum hält sich in Grenzen, es wird eher gehatet.
Auch Lake Oner hatte sich damals bei der Ausschreibung beworben, es gab “bewusst keine Vorgaben, um die größtmögliche Vielfalt an Ergebnissen zu bekommen”, sagte die HOWOGE. Aber sind keine Vorgaben gleich Alles ist erlaubt? Lake sagt nein. Er selbst hatte sich bewusst mit politischen Arbeiten bei der Hausverwaltung beworben. Er kam nichtmal in die zweite Runde. Laut seiner Aussage genau wegen dieser politischer Arbeiten.
Mir stellen sich an dieser Stelle zwei Fragen:
Werden Murals immer unpolitischer? Und müssen sie überhaupt politisch sein?
Wir sitzen mittlerweile schon im zweiten Block der Diskussion, nach dem Rauchen vor der Tür. Langsam neigt sich der Abend dem Ende zu. Ich bin ein bisschen enttäuscht- so wirklich konnte Niemand die gestellten fragen beantworten, auch wenn es interessante Ansätze gab.
Das Thema ist und bleibt sehr polarisierend, auch wenn die Fragestellungen in diesem Kontext eventuell etwas ungünstig gewählt waren. “Gibt es noch interessante Murals?” ist eine Frage, die allein durch ihre Oberflächlichkeit zu nicht viel Tiefgang im Gespräch beiträgt.
Auch das Suchen nach “Sündenböcken” ist immer ein schwieriger Balance-Akt, im Vandal Café gab es diesmal die Firma Graco, stellvertretend Steffen Kuschkow, der einiges einstecken musste.
Mein Fazit: Interessantes Thema, unglückliche Fragestellungen und relativ viel Hate. Aber was wäre eine Diskussion ohne unterschiedliche Meinungen? Jedenfalls hat das Vandal Café wieder einmal bewiesen, dass große Themen auch in kleinem Rahmen sehr gut diskutiert werden können, an dieser Stelle einmal ein Lob an diese Veranstaltung.
Hier noch ein gekürzter Audiomitschnitt der Veranstaltung:
Mehr Info’s zum Vadal Café gibt es hier.
Ein Gastbeitrag von RPNTH für ILOVEGRAFFITI.DE