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Monika und Karl-Heinz

„Mit 65 und 71 lernen sie schreiben, nämlich ihren Namen in mannshohen Buchstaben. Das Jugendmagazin „Spiesser“ hat Monika und Karl-Heinz zu Graffiti gegen Hinterhofeinheitsgrau angestiftet. Das Rentner-Kompetenz-Team schüttelt wacker Dosen – und Krakelei wandelt sich zu Kunst.“

Weiter gehts mit Monika (65) und Karl-Heinz (71) nach dem Jump

Monika (65) und Karl-Heinz (71) kennen die farbenfrohe Sprühkunst sonst nur von Bahnwagen oder dem eigenen Garagentor. Dass sie selbst mal Mauern mit ihren Namen verzieren würde, wäre ihnen wohl nie in den Sinn gekommen.
Die Nerven flattern beträchtlich, als unsere Rentner den Jugendtreff betreten. Schnell huschen die Augen der beiden zwischen den kunterbunten Wandgemälden hin und her. Im Blick schwingt Neugier, Anerkennung, aber auch großer Zweifel mit. Der Mut zur Dose fehlt beiden noch.

Monika: Mir ist schlecht. Ich bewundere ja den, der das kann.

Karl-Heinz: Ja, eben, weil wir’s nicht können.

Monika: Vielleicht kriegen wir das ja doch noch hin. So dämlich bist du nicht im Malen, Vater!

Experte Christian, hauptberuflicher Sprayer, macht mit den Rentnern zunächst einen Ausflug in die Geschichte des Graffiti. Danach sollen sie ihre ganz persönlichen Namenskürzel „Moni“ und „Karl“ selbst zu Papier bringen.

Christian: Ich war früher auch nie gut im Zeichnen. Aber ich mache das jetzt seit 13 Jahren, und die Übung macht’s einfach.

Karl-Heinz: Das letzte Mal hatte ich Buntstifte in der Hand, als meine Enkel noch klein waren. Das ist mindestens zehn Jahre her.

Aber den beiden Bleistiftakrobaten scheint die Malstunde viel Spaß zu machen. Es bricht sogar ein regelrechter Wettbewerb aus.

Monika: Vater, mach mir keine Konkurrenz!

Karl-Heinz: Mache ich nicht. Mein Bild sieht blöd aus, das geht nicht!

Monika: Von wegen du kannst nicht zeichnen! Das sieht doch gut aus.

Die beiden setzen noch mit Filzstift ihre finalen Farbakzente. Dann jedoch werden Stift und Papier gegen Spraydose und Wand getauscht.

Monika: Wie sollen wir denn das an die Wand kriegen? Ich mit meinen wackligen Händen!

Karl-Heinz scheinen solche Bedenken fremd.

Karl-Heinz: Die haben ihren Stil und das ist mein Stil. Ich werde doch eh nach meinem Tod erst berühmt. Wie das bei allen großen Künstlern früher war.

Monika: Soll ich jetzt niederknien vor dir?

Dass die Wandzeichnungen nicht von selbst auf den Beton kommen, hat den beiden wahrscheinlich vorher keiner gesagt.

Monika: Das ist ja Arbeit! Das sehen die meisten gar nicht.

Karl-Heinz: Mit dem Bleistift ging das einfacher.

Monika: Man muss ja denken beim Sprühen. Das ist anstrengend. Wenn die das dann neun Stunden machen, oh mein Gott!

Der Respekt für Graffiti wächst, schlägt beinahe in Ehrfurcht um.

Monika: Das ist enorm. Ich habe vorher nur mal ein bisschen zugeguckt. Bei uns an den Garagen wurden vor Jahren Graffiti gemacht. Aber was die dort gestaltet haben, sieht gut aus.

Karl-Heinz: Ich habe die von der Sache her auch immer bewundert. Was mir aber absolut nicht gefällt, ist diese viele Schmiererei an Bahnen und Bahngebäuden. Oder auch als ich mal in Kreuzberg war. Das sah dort schweinisch aus.

Monika: Ja, Sachbeschädigung ist übel. Man kann nicht an fremden Wänden rumschmieren. Aber ich finde es nicht schlecht, dass die jungen Leute eine Aufgabe haben.

Eine ästhetische Aufgabe, die jetzt zu ihrer geworden ist. Und die einer besser als der andere machen will.

Karl-Heinz: Ich hab mich zu groß gemacht? Nein, Du hast dich zu breit gemacht!

Monika: Jetzt lass mich kreativ sein!

Auch wenn die beiden Rentner schon fast auf dem Grat der Perfektion wandern, muss ihnen doch Christian ein wenig unter die Arme greifen.

Christian: Das sieht schon ganz gut aus. Ich begradige nur noch die Linien ein wenig, dann ist es perfekt.

Karl-Heinz: Ich wollte dir ja erst schon groß gratulieren, aber wenn ich sehe, was du da für Hilfe bekommst…

Monika: Das ist mein Mann!

Karl-Heinz: Was der aus dem Gekrakel macht, das ist unwahrscheinlich. Man sieht jetzt, was für ein Stümper ich bin.

Langsam nimmt das Kunstwerk Gestalt an. Die Schriftzüge in „Normschrift“ unterscheiden sich zwar von gängigen Graffitis, sind aber nicht weniger schön. Und Monika zieht ein weises Fazit.

Monika: Ich hätte nicht gedacht, dass das Spaß machen könnte. Da werde ich noch zum Fan, ich alte Kuh!

Vielleicht sind die beiden ja jetzt auf den Geschmack gekommen und verzieren auch bald die heimischen Wände mit Farbe aus der Dose.


Text: Theresa Moebus
Fotos: André Forner
Quelle. Spiegel.de


Posted: 15. Oktober 2009  Posted By: admin  Tags: , , , ,