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MKZWO Interview mit Futura2000 (1998)

MKZWO Interview mit Futura2000 von 1998

Wild Style goes Art, oder warum Futura 2000 eigentlich Gärtner ist.

1998, fast 30 Jahre nach dem Anfang der Hiphop Bewegung ist die alte Schule aktuell wie nie, die Plattenläden sind zugepflastert mit Wildstyle Plakaten passend zur Re-Issue des Kultsoundtracks, und Leute wie Schooly D treten wieder in Erscheinung mit Neuveröffentlichungen. Vielleicht ist es kein Zufall, daß außgerechnet jetzt eine Ausstellung durch die Lande zieht, die neben Arbeiten von dem Berliner Sprayer Maroc auch Werke der Graffitilegende Futura 2000 zeigt, der einer der ersten war, in N.Y. die Wände und Züge für sich entdeckte zusammen mit Leuten wie Stay High 149 und Flint 707.

Während all der Zeit, die seitdem vergangen ist, und die die Oldschool teilweise nur noch wie kultumwobene Vergangenheit wirken läßt, war Futura 2000 keine Minute untätig, im Gegenteil. Im Interview stellt sich heraus, daß die alten Tage nur der auslösende Tritt in den Arsch waren, während alles andere hart zu erkämpfen war, daß es nie einen Punkt des sorglosen Zurücklehnens gab. Heute sieht die Lage wohl etwas lockerer aus, Futura gondelt durch die Weltgeschichte um die Reproduced Art Tour zu Promoten, die auch zeitgleich mit dem neuerscheinenden UNKLE- Album stattfindet, für die Futura das Artwork gemacht hat. Das Interview findet statt auf dem Alex, bei ca. 30°C Außentemperatur, und obwohl Futura einen regelrechten Interviewmarathon hinter sich hat, ist er unglaublich gut gelaunt und vor allem sehr gesprächig.

MKZWO: Wie fühlst Du Dich nach der ganzen Fragerei?

FUTURA: Oh, mir geht´s prächtig, ich fühle mich wie eine Prostituierte, aber ich glaube, daß ist schon okay so.

MKZWO: Du hast eine Homepage, in der Du vor allem ein Thema immer wieder aufgreifst, und zwar, daß die wichtigsten Eigenschaften eines Menschen Offenheit und die Fähigkeit, über eigene Grenzen hinauszusehen sein sollten. Das wird aber nun ein bißchen schwierig, sobald man sich in einer autarken und auch etwas intoleranten Szene wie -bei Dir z.B. – in der Hiphop Szene bewegt und immer schon bewegt hat. Wie kommst Du zu Deiner Einstellung?

FUTURA: Die Intoleranz in der HipHop-Szene liegt daran, daß Du wirklich in etwas eingebunden bist, etwas lebst und deshalb einfach nicht weißt, was sonst noch großartig los ist, weil du zufrieden bist mit dem, was du hast. Aber wenn du nicht rausgehst, wirst du´s einfach nicht erfahren und das ist schade, denn diese Leute begrenzen sich mit ihren eigenen Fähigkeiten. Aber der Punkt, an dem man merkt, daß das nicht alles ist, kommt wahrscheinlich von selber, muß von selber kommen.

MKZWO: Und Deine Homepage ist der Platz, an dem Du Menschen die Möglichkeit bietest, das Spektrum Deiner Welt kennenzulernen?

FUTURA: Pro Woche kommen ca. 15000 Leute auf meine Site. Wieviele kenne ich davon, 5? 6? Ich kann es nicht erfassen und das ist auch gut so. Ich will damit auch nicht irgendwie an Kohle kommen oder angeben, ich will ein Pionier sein, und das ist ein waschechter Graffitigrundsatz. Vielleicht sehen die Leute im nächsten Jahrtausend, daß ich da war, und mein Ding gemacht habe, wer weiß? Ich kann nichts tun, ich kann nur hegen und pflegen und das Resultat ist Expansion ohne Limit. Das scheint fast cooler zu sein, als seinen Namen auf einen Zug zu schreiben.

MKZWO: Aber kann man das Gefühl überhaupt vergleichen?

FUTURA: Nein, kann man nicht. Das programmieren einer Homepage ist viel steriler. Es ist nicht real, und deshalb ist es auch bei weitem nicht das Einzige, was ich tue. Aber ich behandle es wie einen Garten um den man sich kümmern muß, sobald man ihn angelegt hat. Sonst geht erstens alles wieder ein, und zweitens bin ich das auch den Websurfern schuldig. Aber ich liebe es.

MKZWO: Erinnerst Du Dich an den Moment, an dem Du begriffen hast, daß Graffiti mehr für Dich ist als eine Leidenschaft, vielmehr noch etwas, auf dem Du Dein Leben basieren lassen kannst?

FUTURA: Ein Moment war Anfang der 80er, als die Bewegung sowas wie aufplatzte, denn bis dahin wußten nur die Leute bescheid, die selber aktiv waren. Plötzlich fingen Gallerien an, sich dafür zu interessieren, aber damit hatte ich immer ein Problem. Ich meine, ich hatte Glück, daß ich zu denjenigen gehörte, die Ausstellungen hatten, aber ich hatte nie genug Vertrauen in meine Arbeit. Ich wußte schlicht garnichts über Kunst und ich brauchte fast zwei Jahre, um darüber Bescheid zu wissen. MK ZWO: Aber der Weg dahin, wo Du jetzt bist war wohl nicht nur finanziell sondern auch psychisch ganz schön hart, oder? Man muß so geduldig sein, ewig geduldig und den Dingen beim Wachsen zuschauen. Niemand kann dir das Selbstbewußtsein, das du für dieses Buißnes brauchst, geben. Es muß von alleine kommen, aber es gibt ein paar sehr wichtige Wegweiser. Erstens, niemals selbstgefällig zu sein, sich zurückzulehnen und zu sagen: „Ja. Ich hab´s geschafft!“, und zweitens, niemals eine Sache mit dem Vorsatz anzugehen, Geld damit zu verdienen, denn wenn du das tust, nimmst du der Sache ihren Wert und verkaufst die Idee. Wenn du aber geduldig und beständig deinen Weg gehst und zuläßt, das sich Dinge entwickeln, die Realität begreifen lernst, dann kannst du wirklich Erfolg haben.

MKZWO: In Deiner Homepage erwähnst Du auch, daß Du kein Fossil oder Veteran der Graffitibewegung sein willst, und daß Du Dich selbst auch nicht so betrachtest. Nur wirst Du Dir dieses Paar Schuhe wahrscheinlich einfach anziehen müssen, denn es wird immer Leute geben, v.a. in der Graffitiszene, denen Du einfach Vorbild und Idol bist. Hast Du ein Problem damit?

FUTURA: Hmm, ja, ich meine wenn die Leute wüßten.., ich will immer noch erreichbar sein, ich meine, ich beantworte vielleicht nicht deinen Anruf, aber ich werde deine E-Mail beantworten. Es ist doch auch nur so, daß ich einfach Glück hatte.

MKZWO: Das mußt Du erklären.

FUTURA: Ich bin nicht religiös, aber irgendjemand da oben hat einfach auf mich aufgepaßt und mir die Möglichkeit gegeben, dieses Leben zu leben, und es war und ist einfach einzigartig. Es gab so harte Zeiten, und Momente, in denen sich die Dinge zu überschneiden schienen wie die Straßen einer Kreuzung. So wie 1973, als ich gerade mit Graffiti angefangen hatte. Ich war verwickelt in ein Feuer und ein Freund von mir wurde sehr schwer verbrannt. Das Resultat war, daß die Polizei involviert wurde und sie stellten mich vor die Alternative Gefängnis oder Militär, denn das Feuer brach aus als wir in einem U-Bahntunnel waren und einen Zug bemalten. Und so ging ich zum Militär, weg aus N.Y.für vier Jahre von 74-78 und zurück kehrte ich erst 79. Graffiti war tot für mich, es hätte beinahe meinen Freund umgebracht, und während der vier Jahre rührte ich keine Dose an. Doch kaum das ich sieben Monate zurück in N.Y. war, stand ich mit genau dem Freund, der damals beinahe verbrannt wäre ,genau in dem selben Tunnel und wieder bemalten wir einen Zug. Ich meine, wir waren genau da, wo das Feuer ausbrach, und wir sahen uns an und fragten uns, was los ist, und wir kamen beide ins Überlegen in diesem doch etwas sentimentalen Moment, und dann?.. dann malten wir einfach weiter.

MKZWO: Und damit war eine Entscheidung für Dich gefällt?

FUTURA: Ich fing sofort wieder an zu malen und es blieb. Und so viele Ding passierten wie von selber. Ich traf The Clash in den 80er und alle Leute aus ihrem Umfeld, und es war ein so großer Hype um The Clash und ich wußte nicht mal, wer sie waren. Ich wußte rein garnichts über Punkmusik, aber es war so unglaublich, das alles zu erleben. Und als ich meine Frau traf in Paris, als unsere Tochter geboren wurde, alles Dinge, die mich sehr veränderten und prägten, aber ich blieb immer auf meinem Weg.

MKZWO: Kein Punkt der Ruhe?

FUTURA: Ich habe meine Arbeit noch immer nicht getan. Es ist immer neu, und diese Ausstellung jetzt ist die erste seit zwei Jahren, und ich will dem Publikum dort auch eine Chance geben, insofern erreichbar zu sein, als daß ich kleinere Bilder einfach zu einem kleineren Preis, der auch für jüngere Leute erschwinglich ist, ausstelle. Es macht keinen Sinn eine Ausstellung zu machen für junge Leute, und nur horrend teure Sachen auszustellen. Ich meine, die Sachen sind vielleicht immernoch nicht billig, aber wenn jemand wirklich etwas will, dann wird er die, sagen wir mal, 100$ aufbringen. Das ist realistisch, und ich will es den Leuten auch nicht zu leicht machen, denn ich denke wenn man eine Sache schätzt, dann bemüht man sich darum. -Die Pressefrau von Futura biegt um´s Eck und tippt auf die Uhr..

MKZWO: Okay. Letzte Frage: Aktueller Hiphop?

FUTURA: Wu-Tang! Ich mag´s, daß sie sich aus der East Coast, West Coast Sache raushalten, die eh nur nervt. Sie sind zwar auch agressiv und düster, aber ja, Wu Tang ist der Favorit.

MKZWO: Danke für das Gespräch!

FUTURA: Ich bedanke mich


Posted: 15. März 2013  Posted By: admin